3. Gefahren reizender und ätzender Stoffe und Gemische

3.1 Gesundheitsgefahren

Ätzende Stoffe können schnell zu ausgeprägten Gewebezerstörungen und schweren, bleibenden Gesundheitsschäden führen. Dabei sind Laugen grundsätzlich als noch gefährlicher als Säuren anzusehen. Informationen zu den jeweiligen Stoffeigenschaften sind z. B. im jeweiligen Sicherheitsdatenblatt zu finden.

Gesundheitsschäden durch reizende und ätzende Stoffe können auftreten durch:

Das Ausmaß der Gewebeschädigung ist u. a. abhängig von

3.1.1 Wirkung auf die Haut

Die Wirkung auf die Haut kann von leichten Hautreizungen (Rötung der Haut) bis hin zu schweren Schäden der Haut und des darunter liegenden Gewebes reichen (Nekrosen).

3.1.2 Wirkung auf die Augen

Die Augen sind in besonderem Maße gefährdet. Durch Spritzer von Laugen und Säuren kann es zu Reizungen, aber auch zu schweren Verätzungen kommen, die zur Erblindung führen.

3.1.3 Wirkung auf die Atemwege

Das Einatmen von Gasen, Dämpfen und Aerosolen reizender und ätzender Stoffe kann zu Atemwegsreizungen, aber auch zu schweren, akuten Erkrankungen führen. In schweren Fällen können auch chronische Lungenerkrankungen folgen.

Die Beschwerden setzen akut oder schleichend z. B. in Form von Reizungen der Augen und des Nasen-Rachen-Raums, Husten und Auswurf ein.

Atemnot als ein mögliches Zeichen eines schweren Krankheitsgeschehens (toxisches Lungenödem) kann sofort, aber auch verzögert nach einem längeren, beschwerdefreien Zeitraum (z. B. 24 Stunden) auftreten.

3.2 Gefährliche chemische Reaktionen

Reizende und ätzende Stoffe gehören zu verschiedenen Stoffgruppen mit unterschiedlichen chemischen Eigenschaften. Bei Tätigkeiten mit folgenden Stoffgruppen kann es durch gefährliche chemische Reaktionen zu Unfällen kommen:

3.2.1 Säuren und Laugen

Wärmeentwicklung beim Verdünnen

Beim Ansetzen von Lösungen oder Verdünnungen von Säuren und Laugen wird sogenannte Lösewärme frei. Die freigesetzte Lösewärme kann zum schlagartigen Überkochen und Spritzen der heißen ätzenden Lösung führen. Wegen dieser oft unterschätzten Gefahr ist bei solchen Vorgängen besondere Vorsicht geboten (siehe 5.2.3 und 5.3.1).

Wärmeentwicklung beim Vermischen

Säuren reagieren mit Laugen unter Freisetzung von Neutralisationswärme. Wie beim Verdünnen kann es zum plötzlichen Überkochen und Spritzen der heißen aggressiven Lösung kommen.

Knallgasbildung und Korrosion bei der Reaktion mit Leichtmetallen

Säuren und Laugen lösen Leichtmetalle wie Aluminium und Zink unter Bildung von Wasserstoff (Knallgas) auf. Der Wasserstoff reagiert bei Vorhandensein einer Zündquelle explosionsartig mit dem Luftsauerstoff.

3.2.2 Aktivchlorprodukte

Gefahr der Chlorgasfreisetzung

Ein typischer Vertreter dieser Produktgruppe ist die Chlorbleichlauge (auch als Bleichlauge bezeichnet), die Natriumhypochlorit (NaOCI) enthält.

Wird Chlorbleichlauge mit Säure vermischt, so werden schnell große Mengen von Chlor freigesetzt. Chlor ist ein stechend riechendes grüngelbes Gas und wirkt in der Luft in Mengen von nur 0,5–1 % auf Säugetiere und Menschen rasch tödlich! Chlor kann noch nach Stunden nach dem Einatmen zu einem Lungenödem (Wasser in der Lunge) und Atemnot führen.

Neben der Reaktion mit Säuren sind weitere gefährliche Reaktionen von Natriumhypochlorit-Lösung bekannt:

3.2.3 Aktivsauerstoffprodukte

Gefahr der Zersetzung unter Wärmeentwicklung und Freisetzung von Sauerstoff

Typische Vertreter sind Wasserstoffperoxid und Peressigsäure. Wasserstoffperoxid (H2O2) ist instabil und zerfällt bei längerer Lagerung langsam in Wasser und Sauerstoff. Dieser Zersetzungsprozess wird bei Erwärmung oder in Gegenwart einer Vielzahl von Stoffen so beschleunigt, dass größere Mengen Sauerstoff (brandfördernd!) unter hoher Wärmeentwicklung schnell freigesetzt werden. Schon geringe Mengen eingeschleppter Verunreinigungen können den Zersetzungsprozess in Gang setzen und beschleunigen.

Peressigsäure (PES), auch als Peroxyessigsäure bezeichnet, kommt üblicherweise im Gemisch mit je 5–15 % Peressigsäure, Wasserstoffperoxid, Essigsäure und Wasser in den Handel. PES ist ebenfalls instabil und zerfällt in Essigsäure und Sauerstoff. Wie bei Wasserstoffperoxid wird dieser Zersetzungsprozess durch Wärmeeinwirkung und Verunreinigungen wie z. B. Rost stark beschleunigt (siehe auch ASI 8.03 „Umgang mit Peressigsäure“).

Wegen der Gefahr der Einschleppung von Verunreinigungen dürfen Wasserstoffperoxid und Peressigsäure nur im Originalbehälter aufbewahrt und nicht umgefüllt werden. Es dürfen keine Reste zurück in den Originalbehälter gegeben werden.

3.2.4 Salpetersäure

Gefahr der Bildung von Gasen

Salpetersäure ist sehr aggressiv und reagiert mit einer Vielzahl von Stoffen (auch Metallen) unter Freisetzung sogenannter nitroser Gase. Nitrose Gase sind ein Gemisch verschiedener Stickstoff-Sauerstoff-Verbindungen. Die Dämpfe sind rotbraun, haben einen stechenden Geruch und sind reizend und giftig.

3.2.5 Flusssäure

Die noch immer – hauptsächlich bei Schweiß- und Lötarbeiten in Form von Beizpaste – eingesetzte Flussäure (Fluorwasserstoffsäure) ist hinsichtlich ihrer Gefährlichkeit von besonderer Bedeutung. Die Säure ist zwar nicht sehr stark, aber äußerst aggressiv und zudem giftig. Sie kann durch die Haut bis tief ins Gewebe eindringen und führt zu Wunden, die nur schwer heilen. Wer nicht auf Flusssäure verzichten kann, muss den Hautkontakt auf jeden Fall vermeiden und spezielle Handschuhe verwenden (Fluorkautschuk, Viton®). Für flusssäurehaltige Beizpaste gibt es in vielen Fällen Ersatzverfahren, z. B. den Einsatz von Elektrolysehandgeräten zusammen mit weniger gefährlichen Mitteln auf Phosphorsäurebasis.

 

Autor: Hartmann
2015-2-25