Prima Klima

Neuartiges Lüftungskonzept in der Verladehalle der Bitburger Brauerei

von Matthias Neyses und Dr. Peter Rietschel
Foto: Lüftung

Dieselmotoren prägen das Bild in leistungsfähigen Umschlagbereichen – auch im Verladebereich der Bitburger Brauerei. Trotz Rußfilter an Staplern und Lüftungsanlage traten in der Halle zeitweise hohe Konzentrationen von Dieselmotoremissionen (DME) auf. Brauerei, Lüftungsanlagenbauer und BGN suchten gemeinsam nach einem optimalen Konzept für eine neue Hallenlüftung. Realisiert wurde schließlich eine Schichtströmung.

Frische Luft im Bodenbereich der Halle und damit im Atembereich der Mitarbeiter: Die Fahrzeugabgase ziehen in den Deckenbereich ab und werden dort abgesaugt. Das ist das Prinzip der Schichtströmung, für die sich das Planungsteam bei der Bitburger Brauerei nach umfangreichen Recherchen und Voruntersuchungen entschied. Genutzt wird dabei die Thermik der heißen Abgase. Sie nämlich lässt die Abgase von selbst aus dem Arbeitsbereich nach oben zur Hallendecke hin entweichen. Die Ablufterfassung im Deckenbereich hat dann die Aufgabe, die Abgase an der Decke abzusaugen.
Die abgeführte Luft muss durch frische Zuluft ersetzt werden. Diese strömt impulsarm im Bodenbereich nach. Dadurch bildet sich eine Schichtung aus: Die Beschäftigten arbeiten in einem Frischluftsee in Bodennähe, die belastete Luft bleibt im Deckenbereich und wird dort abgeführt. Damit es nicht zu einer Vermischung oder Verwirbelung der Schichtung kommt, müssen Deckenheizgeräte o.Ä. vermieden werden.
Die Schichtströmung kann immer dann erfolgreich eingesetzt werden, wenn die Freisetzung von Gefahrstoffen mit thermischen Prozessen verbunden ist. Die Luftführung muss die natürliche Thermik unterstützen.

SCHICHTSTRÖMUNG

Das Prinzip
  • heiße Abgase steigen nach oben
  • Absaugung oben, um Rückströmung zu verhindern
  • Frischluftzufuhr von unten (ohne Verwirbelung)
  • keine störenden Strömungen
Das Resultat
  • Schichtung der Hallenluft
  • Frischluftsee im Arbeitsbereich
  • belastete Luft oben an Hallendecke


Sonderfall Verladehalle

Angeboten hat sich die Idee einer Schichtströmung, weil damit in anderen Arbeitsbereichen positive Erfahrungen gemacht worden sind. Ob eine Schichtströmung allerdings auch in einer Verladehalle funktioniert, musste die Projektgruppe erst einmal sorgfältig prüfen. Denn Erfahrungen bei vergleichbaren Objekten gab es nicht. Eine Verladehalle weist verglichen mit den bisherigen Anwendungsbereichen der Schichtströmung die Besonderheit auf, dass die Emissionsquellen der Gefahrstoffe nicht statisch sind. Die Flurförderzeuge und Lkw bewegen sich, und durch die Fahrbewegungen kommt es zu Verwirbelungen. Außerdem gibt es in einer Verladehalle die Einschränkung, dass die Frischluft in Bodennähe nur von den Seitenwänden aus relativ großer Entfernung zugeführt werden kann. Die Luftauslässe benötigen einerseits eine große Wurfweite, sie dürfen andererseits aber nicht zu Verwirbelungen der Luft führen.

Foto: Verladehalle

Umfangreiche Vortests

Um erste Erkenntnisse zu erlangen, simulierte die Projektgruppe die Schichtströmung zunächst ansatzweise mit Hilfe der vorhandenen alten Lüftungsanlage. Man teilte die insgesamt 320m lange Halle in zwei Bereiche, die auf unterschiedliche Weise belüftet wurden. Im ersten Bereich erzeugte man ansatzweise eine Schichtströmung. Dazu wurden die Deckenlüfter ausschließlich auf Abluft gefahren, während die Zuluft durch die Blocklager und die teilweise geöffneten Rolltore überwiegend vom Bodenbereich her zugeführt wurde. Im zweiten Bereich wurden die Deckenlüfter auf Zu- und Abluft gefahren, was der konventionellen Mischströmung entspricht.
In beiden Bereichen wurden umfangreiche Messungen durchgeführt. Neben sammelnden Messverfahren mit zweistündiger Probenahme setzte man in Zusammenarbeit mit dem Institut für Gefahrstoff-Forschung der Bergbau BG auch einen neuen direktanzeigenden Sensor für Dieselmotoremissionen ein. Dieser Sensor liefert innerhalb von Sekunden verläss­liche Momentanwerte der Rußkonzentration. Neben zeitlichen Konzentrationsverläufen lässt sich damit auch die räumliche Verteilung der Rußkonzentration ermitteln. Gemessen wurde jeweils im Atembereich der Beschäftigten sowie in 9m bis 11m Höhe in der Nähe der Hallendecke. Die Ergebnisse zeigten einen klaren Unterschied zwischen beiden Lüftungskonzepten.

Diagramm: Schichtströmungssimulation

Vortests bestanden

Im Bereich der grob simulierten Schichtströmung war die Konzentration an Dieselmotoremissionen im Deckenbereich zwei- bis dreimal so hoch wie im Atembereich in Bodennähe. Im Hallenteil mit Mischströmung waren die DME-Konzentrationen erwartungsgemäß überall gleich hoch. Sie entsprachen ziemlich genau dem Mittelwert aus den Werten, die im Boden- und Deckenbereich im ersten Hallenteil mit der simulierten Schichtströmung ermittelt worden waren. Da bereits mit dieser behelfsmäßig realisierten Schichtströmung in der Verladehalle eine deutliche Verbesserung der Hallenluft im Atembereich nachgewiesen werden konnte, entschied sich die Brauerei für den Einbau einer neuen Lüftungsanlage nach dem Prinzip der Schichtströmung.
Zu Beginn des Jahres 2002 baute eine Fachfirma die Lüftung nach dem Schichtströmungskonzept in den ersten Teil der Verladehalle ein. Entscheidender Bestandteil sind 40 an den Hallenseiten eingesetzte Verdrängungsluftauslässe im Bodenbereich. Aus ihnen strömt die Frischluft impulsarm in die 30m breite Halle. Die Abluft wird an der Decke abgezogen. In der Heizperiode findet eine Energierückgewinnung über Wärmeräder statt. Mit Hilfe eines Sichttrübungsmessgerätes erfolgt die bedarfsgerechte Steuerung der frequenzgeregelten Antriebe der Ventilatoren. Diese Anpassung der Lüftungsleistung an den augenblicklichen Bedarf dient der Energieeinsparung.

Diagramm: Vergleich der Lüftungen

Gute Ergebnisse in der Praxis

Mehrere Messungen der Dieselmotoremissionen an verschiedenen Stellen in der Halle haben die Wirkung der neuen Lüftung bestätigt. Die erste Messung fand im Frühsommer an einem Tag mit hohem Umschlag statt. Die DME-Konzentrationen betrugen sowohl in den Staplerkabinen als auch an einem ortsfesten Messpunkt nur ein Viertel der Werte, die zuvor unter ansonsten gleichen Bedingungen mit der alten Lüftung gemessen worden waren. Eine zweite Messung wurde im Winter unter geringfügig anderen Betriebsbedingungen durchgeführt. Die DME-Konzentrationen waren etwas höher als im Sommer, aber noch immer deutlich geringer als bei der alten Mischströmung.
Überprüft wurde auch, ob sich die eingangs beschriebene Schichtung der Luft in der Halle einstellte. Dazu wurde die Rußkonzentration in 6 m Höhe auf einem Leergutblock gemessen. An diesem Ort lag die Konzentration um 35 Prozent höher als in Bodennähe. Das ist ein Hinweis auf die sich einstellende Schichtung von Frischluft in Bodennähe und abgashaltiger Luft in Deckennähe.

Foto: Arbeiten in der Halle mit Gabelstaplern

Insgesamt lässt sich feststellen, dass mit Hilfe der Schichtströmung im Sommer und auch während der Heizperiode im Winter die DME-Konzentrationen in den Arbeitsbereichen einer Verladehalle deutlich gesenkt werden können. Die Messergebnisse decken sich mit dem überaus positiven subjektiven Eindruck der Beschäftigten. Bei der Schichtströmung handelt es sich allerdings um eine anspruchsvolle Lüftungstechnik, deren Auslegung nur erfahrenen Fachfirmen übertragen werden sollte.

 

Autor: Neyses
Autor: Rietschel