Stress lass nach

Betriebliche Stressprävention beugt negativen Stressfolgen vor und erhöht die Produktivität
von Isabel Dienstbühl | aus Akzente

Bild: Mitarbeiter im Gespräch

Alle reden von Stress. Eine Modeerscheinung? Durch die Arbeit bedingt? Ein Problem Einzelner? Wie sehen die Fakten aus und was können Betriebe und Beschäftigte tun, um nicht in die Stressfalle zu geraten?

Stress ist in aller Munde: »Ich bin im Stress«, »Ich fühle mich gestresst«, »In unserer Firma ist zurzeit alles so stressig«: Und doch versteht jeder etwas anderes darunter. Die einen bezeichnen mit Stress den kurzen Zeitdruck, den harmlosen Ärger oder auch eine berufliche Herausforderung. Andere wiederum benutzen den Begriff Stress, wenn sie über andauernde gesundheitsschädigende Belastungen sprechen.

Psychische Belastungen nehmen zu
Der Wandel der Arbeit - gekennzeichnet durch Globalisierung, den Einsatz neuer Technologien, die Tendenz zur Dienstleistungsgesellschaft und die damit verbundenen Herausforderungen - hat zu einem Wandel der Belastungen geführt. Im aktuellen Fehlzeiten-Report des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) für 2004, der die Ausfallzeiten von 10 Millionen AOK-Versicherten dokumentiert, wird ein Krankenstand von 4,5% angegeben, was einem Tiefststand in einem Zeitraum von mehr als 10 Jahren entspricht. Psychische Erkrankungen rangieren mit einem Anteil von 7,8% an den krankheitsbedingten Ausfällen an vierter Stelle. Allerdings weisen die psychischen Erkrankungen im Jahr 2004 die höchste Steigerungsrate auf, nämlich plus 10% gegenüber 2003. Bei den übrigen Diagnosegruppen wie beispielsweise Muskel- und Skeletterkrankungen, Atemwegserkrankungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wird der Einfluss psychischer Faktoren untersucht.
Der Arbeitsschutz hat auf diese Entwicklungen bereits reagiert. Moderne Arbeitsschutzkonzepte räumen dem Themengebiet der psychischen Belastungen große Aufmerksamkeit ein. Selbstverständlich liegen die Ursachen psychischer Belastungen nicht ausschließlich in der Arbeitswelt. Viele Stressoren stammen aus dem privaten Bereich. Was zu den betrieblichen Stressoren zählt, lässt sich aus einer repräsentativen Befragung von 30.000 Arbeitnehmern zu psychischen Belastungen am Arbeitsplatz, die das WIdO durchführte, herauslesen. Demzufolge gibt jeder dritte befragte Beschäftigte an, unter Hektik, Zeit- und Termindruck zu leiden. Jeder Vierte empfindet das geforderte Arbeitstempo und den Leistungsdruck sogar als sehr belastend.

 

WAS KANN DAS UNTERNEHMEN TUN?
Ressourcen, die vom Unternehmen bereitgestellt werden können
Kommunikation, Kooperation und Information verbessern

Arbeitsintensität realistisch gestalten

Handlungsspielräume erweitern

Zeitspielräume einkalkulieren

Mitarbeiter in Entscheidungen einbinden, z.B. bei der Dienstplangestaltung, der Wahl der Arbeitsmittel, der Berufsbekleidung etc.

für regelmäßige Pausen sorgen

Arbeitsumgebung gesundheitsgerecht gestalten, z.B. durch Lärmminderungs-Maßnahmen

unnötige Arbeitsunterbrechungen beseitigen

Weiterbildungsangebote machen; sie sichern ausreichende Qualifikation und helfen, Angst und Stress zu verhindern

Mitarbeiter entsprechend ihrer Qualifikation einsetzen/Möglichkeiten zur Weiterentwicklung schaffen

Rückmeldungen über die Qualität der Arbeit geben - auch Lob und Anerkennung

Betriebsklima pflegen

kollegiale Unterstützung fördern

Jeder empfindet Stress anders
Die Arbeitsbedingungen in einem Unternehmen sind scheinbar für alle Beschäftigten gleich, aber manche Mitarbeiter scheinen mehr darunter zu leiden. Wo liegen hierfür die Gründe? Zunächst einmal sind herausfordernde und beanspruchende Situationen ein nor­maler und notwendiger Bestandteil des menschlichen Lebens. Mit vielen Anforderungen kommt der Mensch sehr gut zurecht. Erfolgserlebnisse, Abwechslung, positive Lernfortschritte, Anregung und Motivation erlebt er positiv. Andere Anforderungen dagegen können dazu führen, dass er sich überfordert und gestresst fühlt. Kurzfristige Folgen von Überforderung und Stress sind Gereiztheit, vermehrte Fehler und Konflikte. Langfristige Folgen können Schlafstörungen, Kreislaufstörungen und andere Befindlichkeitsstörungen sein.
In der betrieblichen Praxis wird dem Stressgeschehen überwiegend ein Belastungs-Beanspruchungs-Modell zugrunde gelegt. Danach versteht man unter psychischer Belastung alle Einflüsse auf die Psyche des Menschen, die von außen auf ihn einwirken.

Bild: Mitarbeiter im Gespräch

Der Begriff Belastung ist dabei neutral definiert. Eine Belastung kann positiv sein, zum Beispiel eine Herausforderung, oder negativ, wenn sie eine gesundheitliche Beeinträchtigung nach sich zieht.
Die individuelle Reaktion auf eine Belastung ist die psychische Beanspruchung. Wie diese letztendlich aussieht, hängt u.a. von der Stressempfindlichkeit des je­weiligen Menschen ab oder von der Art und Weise, wie dieser Mensch Stress verarbeitet. Das erklärt, warum identische Belastungen (z.B. identische Arbeitsplätze) bei verschiedenen Menschen zu unterschied­lichen Beanspruchungen - wie Nervosität, Fehler, Befindlichkeitsstörungen oder auch Aktivierung - führen können.

 

WAS KANN DER EINZELNE MITARBEITER TUN?
Persönliche Ressourcen
Bereitschaft entwickeln, Neues zu lernen

hausgemachten Stress abbauen

neue Kompetenzen erwerben (Zeitmanagement, soziale Kompetenzen)

realistische persönliche Ziele setzen

Konflikte rechtzeitig und konstruktiv lösen

kollegiale Unterstützung fördern

sich die Stärken bewusst machen (persönliche und betriebliche)

für ausreichende Bewegung sorgen, Sport treiben

für Ausgleich in der Freizeit sorgen

Die Balance finden: Stressoren minimieren - Ressourcen fördern
Wenn es darum geht, eine herausfordernde Situation zu beurteilen, dann kommt den persönlichen und betrieb­lichen Ressourcen eine zentrale Rolle zu. Ressourcen sind die Dinge, die es ermöglichen, besser mit den negativ empfundenen Belastungen zurechtzukommen. Sie haben einen Einfluss auf das psychische Wohlbefinden. Sie mildern die negativen Auswirkungen der Belastungen. Ressourcen sind sozusagen ein Stress-Puffer. Somit kommt der Förderung von Ressourcen eine wichtige Bedeutung in der betrieblichen Stressprävention zu. Was das Unternehmen und was jeder einzelne Mitarbeiter in Sachen Ressourcen fördern tun kann.
Ein Blick in die betriebliche Praxis zeigt, dass der überwiegende Teil der Belastungen, die in unseren Unternehmen zu beobachten sind, durchaus beeinflussbar, aber nicht zu beseitigen ist. Würde man zum Beispiel in der Gastronomie die Stressoren Wochenendarbeit, Nachtarbeit, Hitze- und Steharbeitsplätze, Spitzenbelastungen sowie den Umgang mit schwierigen Gästen beseitigen wollen, dann bliebe von der Branche Gastronomie nicht mehr viel übrig. Diese Belastungen sind Teil der Arbeit. Die Arbeitsverhältnisse lassen sich nur schwer beeinflussen. Deshalb ist an dieser und an vergleichbaren Stellen in anderen Unternehmen eine Belastungsoptimierung gefragt. Das bedeutet, Stressoren werden nach Möglichkeit minimiert, gleichzeitig werden Ressourcen, die einen konstruktiven Umgang mit den Belastungen ermöglichen, aufgebaut.
Dabei gilt allerdings: Analyse vor Aktion. Es ist wichtig, vor der Belastungsoptimierung eine sorgfältige Analyse durchzuführen, die auch die Sicht der Beschäftigten beinhaltet. Eine aktive Einbindung der Mitarbeiter als wertvolle Experten für ihre Arbeitsplätze ist in einem solchen Prozess ein wichtiger Erfolgsfaktor.

Bild: Tabelle Belastungs-Beanspruchungs-Modell

Stressoptimiert mit System - BGN-Beratungsangebot
Viele Unternehmen haben erkannt, dass die negativen Folgen von Stress nicht nur Wohlbefinden und Leistungsvermögen ihrer Mitarbeiter beeinträchtigen, sondern deren Gesundheit schädigen und das Unfallrisiko erhöhen. Zum Beispiel werden unter Zeitdruck die Bewegungsabläufe ungenauer, Kontrollen entfallen, Konzentration und Aufmerksamkeit nehmen messbar ab. Fehler nehmen zu. Das Unfallrisiko steigt. In einem gesunden Betrieb dagegen machen die Beschäftigten weniger Fehler und die Produktivität steigt. Ausfallzeiten nehmen ab, die Betriebsabläufe werden weniger häufig gestört.
Wenn aus den psychischen Beanspruchungen der Mitarbeiter psychische Fehlbeanspruchungen resultieren, d.h. negative Beanspruchungsfolgen wie hoher Krankenstand, gestörte Betriebsabläufe und ein schlechtes Betriebsklima beobachtbar sind, dann kann mit isolierten Einzelmaßnahmen die Situation in der Regel nicht positiv beeinflusst werden. Maßnahmen nach dem Gießkannenprinzip bringen den Betrieb möglicherweise noch stärker aus dem Gleichgewicht. Erfolgversprechend ist dagegen ein gut funktionierendes Gesundheits- und Sicherheitsmanagement. Es verringert den Nährboden für organisationsbedingte Stressoren, die zu psychischen Fehlbeanspruchungen führen können.
Die BGN berät die Unternehmen gerne, wie sie sys­tematisch, also im Rahmen eines Gesamtkonzeptes, Stressoren verringern und Ressourcen fördern können. Das Beratungsangebot der BGN beruht auf der Erfahrung, dass jedes Unternehmen wirtschaftlichen Nutzen aus den Synergien zwischen einem wirksamen Gesundheits- und Sicherheitsmanagement und erfolgreicher unternehmerischer Tätigkeit ziehen kann.

 

Autor: Dienstbühl