Sicherheitstechnische Kenngrößen

Sicherheitstechnische Kenngrößen sind so gefragt wie nie

von Madlen Schoenherr und Dr. Andreas Arnold | aus Akzente

Sicherheitstechnische Kenngrößen

Die sicherheitstechnischen Kenngrößen eines Staubes geben Aufschluss über seine spezifischen Brand- und Explosionseigenschaften. Damit sind sie wichtige Anhaltspunkte bei der Erstellung von Sicherheitskonzepten und bei der Planung neuer Anlagen. Die BGN hat über 1.000 solcher Kenngrößen für Produkte der Lebensmittelindustrie ermittelt. Ein Service für die Betriebe.

In der Nahrungsmittelindustrie gehört die Verarbeitung brennbarer Stäube zum täglichen Geschäft. Bei falscher Handhabung kann es zu Bränden bis hin zu Staubexplosionen mit verheerenden Auswirkungen kommen. Damit es zu einem Brand bzw. einer Explosion kommen kann, müssen mehrere Bedingungen erfüllt sein:

Um eine Staubexplosion hervorzurufen, muss der Staub zusätzlich zu den oben genannten Bedingungen in der Atmosphäre fein verteilt und innerhalb bestimmter Konzentrationsgrenzen vorliegen.

Für den sicheren Umgang mit Stäuben ist es notwendig, deren Eigenschaften bezogen auf Brand- und Explosionsgefahren zu kennen. Diese Eigenschaften werden auch unter dem Begriff »sicherheitstechnische Kennzahlen« zusammengefasst. Sie sind somit eine wichtige Grundlage für die Sicherheitsbetrachtungen und die Planung von Anlagen.

Sicherheitstechnische Kenngrößen
Sicherheitstechnische Kenngrößen sind keine allgemeingültigen (physikalischen) Konstanten. Sie sind für jeden Staub unterschiedlich und werden z. B. im Staublabor der BGN ermittelt. Die Bestimmungsverfahren zu den Kenngrößen sind in verschiedenen europäischen und nationalen Normen (z. B. EN 14034, EN 13821, VDI 2263 Blatt 1) geregelt. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Kennzahlen abgelagerter Stäube und Kennzahlen aufgewirbelter Stäube (siehe Kasten unten).

Die BGN hat seit Beginn ihrer Labortätigkeit im Jahr 1979 von über 1.000 Produkten die Kenndaten ermittelt, auf die die Betriebe zurückgreifen können. Allein 2008 bestimmte die BGN die sicherheitstechnischen Kenndaten von 81 Produktproben. Von großer Bedeutung ist dabei auch die Bestimmung des Feuchtegehalts und der Korngrößenverteilung einer Staubprobe, da die Kennzahlen von diesen Parametern abhängen. Je feiner und trockener ein Staub ist, desto kritischer ist er einzustufen.

Sicherheitstechnische Kenngrössen brennbarer Stäube

Welche der folgenden Kenngrößen im Einzelfall relevant sind, hängt vom jeweiligen Anwendungsfall ab.



An abgelagertem Staub
  • Brennprüfung
  • Glimmtemperatur
  • Selbstentzündungsverhalten
  • Exotherme Zersetzung

An aufgewirbeltem Staub
  • Explosionsfähigkeit
  • Explosionsgrenzen (UEG)
  • Maximaler Explosionsdruck (Pmax)
  • Maximaler Explosionsdruckanstieg (KST)
  • Mindestzündenergie (MZE)
  • Zündtemperatur

Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, rufen Sie uns an.
BGN-Staublabor, Madlen Schoenherr, Fon 0621 4456-3669
oder Dr. Andreas Arnold, Fon 0621 4456-3489

Pulverflaschen

Prüfung der Glimmtemperatur eines Staubes

Neben den oben genannten Staubeigenschaften können im Staublabor der BGN auch

ermittelt werden.

Außerdem können die Stäube bei veränderten Prozessbedingungen (Luftfeuchte, Umgebungstemperatur, Produkttemperatur) untersucht werden.

Staub

BGN-Dienstleistungen
Brand- und Explosionsschutz für Betriebe
Explosionsschutz
  • Beratung bei Fragen zum Explosionsschutz im Betrieb
  • Prüfung
  • Sicherheitsbetrachtungen
  • Risikoanalyse
  • Gutachten
  • Schulungen
Prüftätigkeiten
Im Prüflabor
  • Bestimmung sicherheitstechnischer Kenngrößen von brennbaren Stäuben inkl. vorheriger
    - Kornanalyse
    - Feuchtebestimmung
  • Sonderuntersuchungen
Auf dem Versuchsgelände Kappelrodeck
  • Testen von Schutzsystemen und Anlagenkomponenten
  • Prüfung
  • Zertifizierung

 

Die neue Staubungszahl

BGN entwickelt Messmethode zur besseren Einschätzung der Staubexplosionsgefahren durch Schüttgüter

Die BGN hat ein Verfahren entwickelt, mit dem eine neue explosionstechnische Kennzahl ermittelt werden kann: die Staubungszahl. Damit ist es jetzt möglich, Staubexplosionsgefahren durch Schüttgüter besser als bisher einschätzen zu können.

von Dirk Lorenz

Grundvoraussetzung für eine Staubexplosion ist eine Staubwolke innerhalb bestimmter Konzentrationsgrenzen. Dennoch fehlte lange Zeit eine sicherheitstechnische Kennzahl, die die Neigung eines Schüttgutes zur Staubwolkenbildung beschreibt: die »Staubungszahl«. Diese Lücke hat die bgn geschlossen. Sie entwickelte eine Messmethode inklusive der erforderlichen Messapparatur, um eine solche Kennzahl für Schüttgüter der Nahrungsmittelherstellung bestimmen zu können. Diese Messmethode und –apparatur sind heute in der im Mai 2008 erschienenen VDI-Richtlinie 2263 Blatt 9 »Staubbrände und Staubexplosionen, Gefahren – Beurteilung – Schutzmaßnahmen, Bestimmung des Staubungsverhaltens von Schüttgütern« verankert.

Der praktische Nutzen der neuen Kennzahl
Die neue Kennzahl kann immer dann angewandt werden, wenn in der Praxis Fragen auftauchen, für deren Beantwortung man die Neigung eines Schüttgutes zur Staubwolkenbildung kennen muss. Dies gilt insbesondere für Risikoanalysen zum Schutz vor Staubexplosionen. Die Staubungszahl kann immer dann eine wichtige Rolle spielen, wenn bei der Risikoanalyse die Auftrittswahrscheinlichkeit explosionsgefährlicher Staub/Luft-Gemische beurteilt werden muss.

Die Staubungszahl ist hier ein wichtiges Hilfsmittel, um die Zonen zur Kennzeichnung explosionsgefährdeter Bereiche festzulegen. Denn sie liefert Informationen über Ausdehnung und Lebensdauer explosionsfähiger Staubwolken. So kann die Staubungszahl z. B. dazu herangezogen werden zu entscheiden, ob ein Raum bzw. Anlagenteil komplett in eine Zone fällt oder sie in verschiedene Zonen bzw. Bereiche ohne Zoneneinteilung untergliedert werden können. Außerdem ermöglicht die Kenntnis der Staubungszahl Aussagen über die räumliche Verteilung von Staubwolken in Anlagenteilen. Das kann erheblichen Einfluss auf die konstruktiven Schutzmaßnahmen haben. Viele Anwendungen sind denkbar, wie z. B. bei der Auslegung von Schutzmaßnahmen bei Mischern sowie Um- und Abfüllanlagen.

Tabelle 1: Bereiche von Staubungszahlen und ihre Staubungsgruppen
Staubungsgruppe 1 2 3 4 5 6
Staubungszahl S 0 – 1 > 1 – 5 > 5 – 10 > 10 – 20 > 20 – 50 > 50

Erfahrungen mit der neuen VDI-Richtlinie 2263 Blatt 9
Seit 2006 bestimmte die BGN intern die Staubungszahl für über 40 verschiedene Schüttgüter. Ein kleiner Teil davon ist in der Tabelle 2 enthalten. Sie zeigt, dass es enorme Unterschiede im Staubungsverhalten verschiedener Schüttgüter gibt. Dementsprechend unterschiedlich muss die Bewertung von Staubexplosionsgefahren sein. Dies gilt besonders, wenn es im Rahmen von Risikoanalysen um die Einteilung von Anlagen bzw. Räumen in Zonen zur Kennzeichnung explosionsgefährdeter Bereiche geht.

Die BGN wendet die neue Kennzahl bzw. VDI-Richtlinie seit ihrer Fertigstellung konsequent an:

  • bei Risikoanalysen
  • zur Interpretation von Versuchsergebnissen im Rahmen von Forschungsprojekten
  • bei der Beratung der Mitgliedsbetriebe

So konnte man z. B. in einem Mitgliedsbetrieb auf sehr aufwändige Sicherheitsmaßnahmen verzichten, weil das dort verarbeitete Schüttgut in die Staubungsgruppe 1 fällt. Das bedeutet, dass bei dem vor Ort angewendeten Verarbeitungsprozess die untere Explosionsgrenze nicht erreicht wird.

Die Erfahrungen bei der Anwendung der neuen Kennzahl werden im Laufe der Jahre zunehmen. Die von der BGN geschaffene Möglichkeit, eine Staubungszahl und -gruppe angeben zu können, wird die Explosionsschutzexperten künftig mehr und mehr dazu befähigen, Staubexplosionsgefahren durch Schüttgüter besser als bisher einschätzen zu können. Somit wird auch der Bekanntheitsgrad der neuen Kennzahl mit der Zeit zunehmen. Sie wird sich neben den klassischen Kennzahlen etablieren.

Tabelle 2: Typische Schüttgüter
und ihre Staubungszahlen und -gruppen
Schüttgut Staubungszahl Staubungsgruppe
Weizenmehl 0,6 1
Holzfaserstaub 3,3 2
Aluminiumstaub 9,2 3
Maisstärke 10,2 4
Malzfilterstaub 20,03 5
Rohkaffee-Filterstaub 33,2 5
Braunkohlestaub 112,3 6

 

Autor: Schoenherr
Autor: Arnold
Autor: Lorenz