Fahrers wachsame Helfer

Fahrerassistenzsysteme

von Dr. Michael Geiler | aus Akzente 10

Fahrerassistenzsysteme (FAS) sollen dem Fahrer bestimmte Tätigkeiten abnehmen oder erleichtern. Außerdem soll die Fahrzeugführung sicherer werden. Inwieweit die wachsamen Helfer des Fahrers diese Aufgaben tatsächlich erfüllen, ist keineswegs immer klar zu beantworten. Zwar existieren zu einzelnen Systemen Abschätzungen des Sicherheitsgewinns. Es gibt aber auch unbeantwortete Fragen z. B. hinsichtlich möglicher Ablenkung des Fahrers oder erhöhter Risikobereitschaft, wenn er sich auf die Technik verlässt.


Fahrerassistenzsysteme (FAS) lassen sich grob in passive und aktive Systeme einteilen: Passive Systeme wie z. B. der Spurwechselassistent, das Navigationsgerät und der Reifendrucküberwacher haben eine informierende, warnende Funktion. Aktive Systeme hingegen greifen zusätzlich in die Fahrzeugdynamik ein. Sie werden in bestimmten Fahrsituationen unabhängig vom Fahrerwillen selbstständig aktiv. Daher nennt man sie auch Interventionssysteme. Die meisten Systeme sind aber durch den Fahrer übersteuerbar. Zu den aktive Systemen gehören z. B. der automatische Abstandsregler und elektronische Stabilitätsprogramme. Die einzelnen fas haben je nach Fahrzeughersteller unterschiedliche Bezeichnungen. Daher besteht eine verwirrende Begriffsvielfalt.

Elektronisches Stabilitätsprogramm (ESP)

ESP verhindert innerhalb gewisser physikalischer Grenzen das Schleudern des Fahrzeuges. Es leistet damit einen hohen Beitrag zur Verkehrssicherheit. Das Allianz-Zentrum für Technik bezeichnet ESP nach dem Sicherheitsgurt als den Lebensretter Nr. 2. Studien der Automobilindustrie zufolge gingen Unfälle durch Abkommen von der Fahrbahn bei Fahrzeugen mit ESP um ca. 40 % zurück. Laut Unfallforschung der Versicherer (www.udv.de) würden 25 % aller Pkw-Unfälle mit Personenschaden und 35 bis 40 % aller Pkw-Unfälle mit Getöteten glimpflicher ablaufen oder ganz vermieden, wenn alle Pkw mit ESP ausgestattet wären. Auch bei Nutzfahrzeugen wird ESP für sehr wirksam gehalten: Etwa die Hälfte der analysierten Schleuder-Unfälle von Lkw und Kleintransportern hätte mit ESP wahrscheinlich vermieden werden können (www.Allianz23.de). Bei der Anschaffung eines – auch gebrauchten – Fahrzeugs sollte man aus diesem Grund dringend darauf achten, dass es mit ESP ausgestattet ist (siehe auch: www.schutzengel-esp.de).

Automatische Abstandsregelung (ACC)

ACC stellt im fließenden Verkehr, insbesondere im Kolonnenverkehr, den jeweils richtigen Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug her. Es gibt auch Abstandsregler mit Stopand-go- Funktion. Ein mit ACC ausgerüstetes Fahrzeug hält ohne Zutun des Fahrers an, wenn das vorausfahrende Fahrzeug zum Stehen kommt. Setzt sich die Kolonne wieder in Bewegung, fährt das Fahrzeug selbstständig an. ACC wirkt allerdings nicht uneingeschränkt: Seine Sensoren tasten nämlich die Umgebung des Fahrzeugs nur nach vorne in gerader Richtung ab. Dies kann in Kurven dazu führen, dass ACC den Vorausfahrenden »verliert« und »denkt«, die Fahrbahn sei frei. Der automatische Abstandsregler ist in der Lage, Auffahrunfälle zu verhindern. In einem Bericht der Bundesanstalt für Straßenwesen (Unterreihe Fahrzeugtechnik, Heft f 60, www.bast.de) errechnen die Autoren, dass die situationsabhängige Regelung von Abstand und Geschwindigkeit i7,5 % aller schweren Pkw-Unfälle verhindern kann. Im Nutzfahrzeugsektor werden noch höhere Werte erwartet. Bei www.allianz23.de heißt es:
»Wären derzeit alle Lkws mit einem abstandsgeregelten Tempomaten (ACC) ausgestattet, könnten 24 % aller schweren Lkw-Auffahrunfälle vermieden werden.«

automatische Abstandsregelung

Die automatische Abstandsregelung (ACC) (Bild oben) stellt im fließenden Verkehr, insbesondere im Kolonnenverkehr, den jeweils richtigen Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug her.

Bremsassistent /Automatisches Notbremssystem

Bremsassistenten warnen den Fahrer, wenn er den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug unterschreitet. Reagiert der Fahrer nicht auf diese Warnung, dann leitet das System eine Teilbremsung ein (je nach Hersteller max. 40 oder 60 %). Anschließend führt der Assistent eine Gefahrbremsung (i00 %) aus, wenn der Fahrer das Bremspedal betätigt. Der automatische Notbremsassistent geht noch einen Schritt weiter: Wenn der Fahrer nicht bremst und der Unfall unvermeidbar ist, führt das System selbstständig eine Notbremsung durch. Das Unfallvermeidungspotenzial von Notbremsassistenten wird auf 28 % geschätzt.

Spurverlassenswarner / Spurhalte- und -wechselassistent

Beim Spurverlassenswarner beobachtet ein Kamerasystem die Fahrbahnmarkierungen und registriert, wenn das Fahrzeug aus der Spur zu geraten droht. Durch Vibrationen am Lenkrad, an der entsprechenden Seite des Fahrersitzes oder durch akustische Signale wird der Fahrer gewarnt. Aktive Spurhalteassistenten greifen zusätzlich in die Lenkung ein, um das Fahrzeug in der Spur zu halten. Schätzungsweise 49 % der Lkw-Unfälle durch Abkommen von der Fahrbahn – z. B. wegen Unaufmerksamkeit oder Müdigkeit – hätten sich nicht ereignet, wenn alle Lkws mit einem Spurverlassenswarner ausgerüstet wären (www.allianz23.de). Der Spurwechselassistent überwacht mit Sensoren die toten Winkel und die benachbarten Fahrspuren nach hinten. Will der Fahrer die Spur wechseln, obwohl sich von hinten ein anderer Wagen schnell nähert bzw. sich im toten Winkel aufhält, wird er akustisch oder optisch gewarnt, z. B. durch eine rote Anzeige am Außenspiegel. Das Unfallvermeidungspotenzial wird mit 8 % angegeben.

Kurvenassistent

Der Kurvenassistent verhindert bei Kurvendurchfahrten heikle Situationen aufgrund nicht angepasster Geschwindigkeit, wenn z. B. der Lkw-Fahrer den Kurvenradius einer Autobahnausfahrt unterschätzt. Sonst könnte das Fahrzeug im Extremfall umkippen oder auf die Gegenfahrbahn geraten.

Nachtsichtassistent

Nachtsichtassistenten verfügen über Infrarotstrahler bzw. Wärmebildkameras. Damit sind Personen und Tiere schon lange bevor sie der Fahrer durch die Windschutzscheibe erkennt auf einem Display im Fahrzeug zu sehen. Die Unfallforschung der Versicherer (udv, 2008, www.udv.de) schätzt das Wirkpotenzial heutiger Nachtsichtsysteme auf weniger als 8 %. Es ist aber nicht auszuschließen, dass sich Nachtsichtsysteme sogar negativ auf die Sicherheit auswirken, weil der Fahrer den Bildschirm beobachtet und abgelenkt werden kann.

Lichtsysteme

Neuere Systeme wie das statische und dynamische Kurvenlicht passen die Lichtverteilung flexibel der jeweiligen Verkehrssituation an. Beim statischen Kurvenlicht schaltet sich beim Abbiegen und in engen Kurven eine zusätzliche Lampe ein, die um die Ecke leuchtet, so dass z. B. querende Fußgänger besser erkennbar sind. Beim dynamischen Kurvenlicht, das für höhere Geschwindigkeiten z. B. auf Landstraßen vorgesehen ist, schwenkt der Scheinwerfer in die Kurve hinein. Ein weiteres Lichtsystem, der Fernlichtassistent, übernimmt das Ab- und Aufblenden, ohne dass der Gegenverkehr geblendet wird. Auch an einem blendfreien Fernlicht wird gearbeitet. Dabei wird die Fernlichtverteilung dort abgeschaltet, wo sich andere Fahrzeuge befinden. Auf diese Weise wird eine Blendung vermieden. Ungeklärt ist bislang, inwieweit es infolge derartig verbesserter Ausleuchtungen des Straßenraumes zu höheren Fahrgeschwindigkeiten und damit größeren Gefährdungspotenzialen kommt.

Weitere Assistenzsysteme

Weitere Assistenzsysteme sind die Systeme zur Fahrerzustandserkennung wie der Müdigkeitswarner oder die alkoholsensitive Zündanlage (Alcolock). Beim Alcolock muss der Fahrer in ein Röhrchen pusten, bevor er den Wagen starten kann. Die Zündung schaltet sich nur dann ein, wenn der Atem alkoholfrei ist. Alcolock wurde mit positiven Erfahrungen bereits in mehreren Feldversuchen eingesetzt, so z. B. bei Busfahrern in Norwegen und Spanien.

Verkehrszeichenbeobachter nehmen z. B. Geschwindigkeitsbegrenzungen oder Einfahrverbote mit einer Kamera auf und blenden sie im Tacho oder im Fahrzeugdisplay ein. Prinzipiell möglich ist, dass der Fahrer auf diese Weise nicht nur informiert und gewarnt wird, sondern dass das Fahrzeug von außen elektronisch auf die maximal erlaubte Geschwindigkeit abgebremst wird.

In der Entwicklung befinden sich Systeme zur Kommunikation zwischen den Fahrzeugen (Car-2-Car-Communication). Dabei geht es um die gegenseitige Warnung z. B. an Kreuzungen. Im Aufbau ist ferner der elektronische Notruf (eCall). Er setzt bei einem Unfall automatisch eine Meldung mit Positionsangaben ab. Dadurch soll die Rettungszeit verkürzt werden.

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Autor: Geiler