Plötzlich fielen die Paletten

Fehlerhafte Stapelpraxis: Drei Verletzte bei Unfall im Lagerbereich mit Verpackungslinie

Im Lagerbereich eines Betriebes waren die beiden oberen Paletten eines vier Vollpaletten hohen Stapels ins Rutschen geraten und abgestürzt. Drei Mitarbeiter, die in der Nähe an einer Packstation arbeiteten, wurden von der oberen Palette getroffen und zum Teil schwer verletzt. Fremdeinwirkung, z. B. dass ein Gabelstapler den Palettenstapel angefahren hätte, gab es nicht. Vielmehr war versäumt worden, die möglichen Risiken der angewandten Stapelpraxis zu ermitteln.

von Werner Fisi | aus Akzente 12

Fertigware direkt auf dem Boden zu lagern und zu stapeln ist in der Nahrungsmittelindustrie nichts Ungewöhnliches. Durchaus ungewöhnlich aber ist, dass sich in einem solchen Palettenlager auch eine Verpackungslinie mit einer Packstation befindet. Bei der Firma H. ist genau das der Fall. An der Packstation im Palettenlager füllen mehrere Mitarbeiter Kleinware in Kartons und setzen die vollen Kartons in Trays. Dann werden die Trays in einem Schweißtunnel in Folie eingeschweißt und anschließend am Ende der Verpackungslinie von den Mitarbeitern von Hand auf Paletten gesetzt.

Die Vollpaletten werden dann in unmittelbarer Nähe der Verpackungslinie in Blöcken gestapelt. Zum Unfallzeitpunkt umfasste das Blocklager mehrere Palettenreihen mit Fertigware. Die Stapelhöhe betrug vier Vollpaletten, wobei die vierte Palette versetzt saß, um die Standsicherheit zu erhöhen. Diese Maßnahme allein aber reichte nicht aus, um die Standsicherheit des Stapels zu gewährleisten.

Mögliche Unfallursachen
Vermutlich war der Stapel ins Rutschen geraten, weil er nicht ganz lotrecht errichtet worden war, also eine leichte Neigung aufwies. Mit eine Rolle spielte auch, dass die Steifigkeit und Stabilität der vollen Trays leicht gemindert ist. Verantwortlich dafür sind kleine Hohlräume, die nach dem Befüllen der Kartons mit der Kleinware übrig bleiben. Bei zu großer Auflast können sich dann die Trays auf den unteren Paletten verformen, was hier vermutlich der Fall war.

Mit hineingespielt haben dürfte auch die Stapelhöhe. Bei festem und stabilem Ladegut auf Paletten gilt als Richtwert für die Stapelhöhe das Verhältnis 6 : 1 – bezogen auf die Höhe des Stapels zur Schmalseite seiner Grundfläche (= Schlankheit des Stapels). Bei Euro-Paletten (1,20 m x 0,80 m) bedeutet das eine maximale Stapelhöhe von 4,80 m.

Die Maße der Vollpaletten betrugen hier 0,80 m x 1,20 m x 1,27 m (Breite x Länge x Höhe). Beim Stapeln von vier Vollpaletten betrug die Gesamthöhe 5,08 m. Das ergibt eine Schlankheit der Einzelstapel von 5,08 : 0,80 und somit 6,35 : 1. Selbst bei einem Stapel mit komplett festem und stabilem Ladegut wäre die Soll-Schlankkeit leicht überschritten gewesen. Wenn wie hier die Steifigkeit des Ladeguts gemindert ist, muss von einer geringeren zulässigen Stapelhöhe ausgegangen werden. Der gängige Richtwert für eine standsichere Stapelhöhe kann also nicht herangezogen werden.

[ Die hier abgebildeten Paletten dienen nur zur Illustration des Themas. ]

Wie solche Unfälle verhindert werden können
Eine Gefährdungsbeurteilung hätte geholfen, die Risiken zu erkennen und zu minimieren. Leider war sie in diesem Bereich noch nicht durchgeführt worden.

Die wichtigste Maßnahme gegen Unfälle dieser Art ist, einen ausreichend großen Sicherheitsabstand zwischen Arbeitsplätzen und Palettenstapeln bzw. Regalen einzuhalten. Außerdem muss auf jeden Fall sicher gestapelt werden. Dabei ist auf Standsicherheit und Schlankheit des Stapels zu achten.

Im konkreten Fall wurde festgelegt, dass

Standsicherheit und Stapelhöhe
Allgemein gilt: Exakte Angaben zur Stapelhöhe von Paletten kann es nicht geben, denn sie hängt von mehreren Faktoren ab:

Entscheidend ist, dass der Palettenstapel standsicher ist. Im Einzelfall kann die Standsicherheit nur durch aufwändige Berechnungen überprüft werden, bei denen das Standmoment sowie das Kippmoment ermittelt und zueinander ins Verhältnis gesetzt werden. Die Formel ist in der BG-Regel »Lagereinrichtungen und -geräte« (DGUV Regel 108-007) enthalten.

Wichtig für die Standsicherheit von Stapeln ist auch, dass sie senkrecht errichtet sind. Neigungen von mehr als 2 % sind nicht zulässig. Dieser Umstand ist auf alle Fälle zu berücksichtigen, wenn ein Betrieb z. B. eine alte Abfüllhalle mit Fußbodenneigung – zum besseren Abfluss von Bodenwasser – als Lagerhalle nutzt.

Bei der zulässigen Schlankheit (6 : 1) räumt die DGUV Regel 108-007 Ausnahmen ein. Dabei

Lagerbedingungen sind besonders günstig, wenn

Die wichtigste Maßnahme gegen Unfälle dieser Art: ein ausreichend großer Sicherheitsabstand zwischen Arbeitsplätzen und Palettenstapeln bzw. Regalen.

Hilfreich ist die BG-Regel DGUV Regel 108-007 »Lagereinrichtungen und -geräte«. www.bgn.de Shortlink = 1008

Auf der BGN-DVD < Vorschriften < DGUV Regeln Siehe auch Fachartikel »Gekonnte Hochstapelei« www.bgn.de Shortlink = 1175

 

Autor: Fisi