Trittsicher

Fußböden im Blickwinkel der Gefährdungsbeurteilung / Eine neue Technische Regel für Arbeitsstätten hilft

Stolper-, Rutsch- und Sturzunfälle waren im Jahr 2012 die häufigste Unfallart in der Nahrungsmittelherstellung (36%) und Getränkeindustrie (42%). Eine tragende Rolle beim sicheren Gehen und Stehen spielt die Beschaffenheit des Fußbodens. Worauf es dabei im Einzelnen ankommt, steht in der neuen ASR A1.5/1.2 „Fußböden“.

von Uwe Janoske | Akzente 05/13

Stolper-, Rutsch- und Sturzunfälle geschehen nicht einfach, sie haben Ursachen. Somit ist wiederum die Gefährdungsbeurteilung das probate Instrument, um die Risiken der Sturzgefahren im Betrieb zu ermitteln, zu beurteilen und Maßnahmen zur Gefahrenminimierung festzulegen. Die entscheidende Betrachtungsgröße hierbei ist der Zustand des Fußbodens. Beurteilungsgrundlage ist seit März 2013 die neue ASR A1.5/1.2 „Fußböden“.

[ Dipl.-Ing. Uwe Janoske ist Mitarbeiter der BGN-Prävention und betreut als Aufsichtsperson BGN-Mitgliedsbetriebe. ]

Neben den rechtlichen Anforderungen sollten in die Gefährdungsbeurteilung ebenfalls die Erfahrungen der Beschäftigten einfließen, damit die Gefährdungen vollständig erfasst werden und Maßnahmen nicht ins Leere laufen.

Hilfreiche Messungen
Um die Risiken der Sturzgefahren auf einem bestehenden Fußboden zu ermitteln und zu beurteilen, kann unter Umständen auch eine Messung des Gleitreibkoeffizienten μ mit dem Gleitreibmessgerät GMG 100/200 hilfreich sein. Die BGN bietet ihren Mitgliedsbetrieben an, sie mit einer solchen Messung bei der Gefährdungsbeurteilung zu unterstützen.

Um anschließend die Maßnahmen zur Gefahrenminimierung festzulegen, muss allerdings das gesamte System der so genannten Reibpartner — das sind Fußbodenbelag, Schuhsohle und gleitfördernder Stoff — betrachtet werden. Den größten Einfluss auf die Rutschhemmung hat natürlich der Fußboden. Aber auch die Schuhsohle spielt hier eine Rolle. Deshalb sollte der Betrieb auch die Auswahl des zum Fußboden passenden Schuhs unbedingt steuern.

Ein weiterer Aspekt ist die Reinigung der Bodenbeläge. Gleitfördernde Stoffe wie Fette, Öle, Produktreste oder Staub können die Reibung zwischen Fußbodenbelag und Schuhsohle fast vollständig aufheben. Dann steigt die Rutschgefahr extrem. Hier trägt ein konsequent angewendeter Reinigungsplan zur deutlichen Entschärfung bei. Und da falsch dosierte Reinigungsmittel auch die Rutschhemmung verringern können, sollte der Reinigungsplan das zu verwendende Reinigungsmittel einschließlich Dosierung vorgeben.

Chemische Nachbehandlung
Hat die Messung mit dem Gleitreibmessgerät GMG 100/200 bei einem bereits verlegten Bodenbelag eine nicht ausreichende Rutschhemmung und damit eine erhöhte Rutschgefahr ergeben, kann man den Belag chemisch nachbehandeln lassen. Möglich ist das bei mineralischen Belägen, wie z. B. Natursteinböden, keramischen Fliesen und Platten, Beton und Estrichen.

Die Präparate zur Nachbehandlung reagieren mit den Mineralien in den Bodenbelägen und lösen sie teilweise heraus — mit dem Effekt, dass die Rutschhemmung erhöht wird. Eine solche Nachbehandlung macht für den Betrieb aber nur dann Sinn, wenn es dadurch zu keiner optischen Beeinträchtigung kommt oder diese keine Rolle spielt. Grundsätzlich sollte man sich vor einer Nachbehandlung des Bodenbelags von einer Fachfirma beraten lassen, um die Verbesserung der Rutschhemmung auch tatsächlich zu gewährleisten. Außerdem sollte man die Reinigung mit den Fachleuten abstimmen, damit die verbesserte Rutschhemmung nicht durch die Reinigung wieder aufgehoben wird.

[ * Merkblatt M9 der BG Handel und Warendistribution: „Verbesserung der Rutschhemmung von keramischen und anderen mineralischen Bodenbelägen durch chemische Nachbehandlung“ www.bgn.de ]

Wie erfolgreich eine Nachbesserung tatsächlich war, lässt sich über einen Vorher-/Nachher-Vergleich mit dem Gleitreibmessgerät feststellen. Die gemessenen Gleitreibkoeffizienten μ können anschließend anhand einer Tabelle* mit Richtwerten μ für die Rutschhemmung von Fußböden im Betriebszustand beurteilt werden. Den bekannten R-Werten (siehe Kasten) lassen sich die Gleitreibkoeffizienten μ nicht zuordnen, da beiden Werten unterschiedliche Messverfahren zugrunde liegen.

[ Fragen zu Fußböden oder speziell zur Gleitreibmessung von Belägen: BGN 0621 4456-3517 ]

Empfehlungen für Neu- und Umbauten
Bei Neu- oder Umbauten ist zu empfehlen, die Fußböden nach ASR A1.5/1.2 auszuwählen. Sie enthält eine detaillierte Liste mit den R- und V-Werten (siehe Kasten) für die Gewerbezweige der BGN-Mitgliedsbetriebe und ihre einzelnen Arbeitsbereiche. Wird ein neuer Fußbodenbelag verlegt, sollte man sich die Zertifikate für die Rutschhemmung und den Verdrängungsraum mitliefern lassen. Bei größeren Projekten lohnt es sich, Rückstellproben des verlegten Fußbodens anzufertigen. So kann man bei Beanstandungen und Streitfällen die Rutschhemmung im Labor prüfen oder Vergleichsmessungen durchführen lassen. Auf diese Weise lassen sich eventueller Verschleiß oder andere Ursachen für eine Minderung der Rutschhemmung feststellen.

R- ­UND V­- WERTE FÜR GEWERBEZWEIGE
in der ASR A1.5/1.2 „Fußböden“ (gültig seit März 2013)
Anhang 2 der ASR A1.5/1.2 enthält eine Übersicht mit den R- und V-Werten (Rutschhemmung R9 bis R 13 und Verdrängungsraum V4 bis V10) für die einzelnen Arbeitsbereiche in folgenden Gewerbezweigen:
  • Herstellung von Margarine, Speisefett, Speiseöl
  • Milchbe- und -verarbeitung, Käseherstellung
  • Schokoladen- und Süßwarenherstellung
  • Herstellung von Backwaren
  • Schlachtung, Fleischbe- und Fleischverarbeitung
  • Be- und Verarbeitung von Fisch, Feinkostherstellung
  • Gemüsebe- und -verarbeitung
  • Nassbereiche in der Nahrungsmittel- und Getränkeherstellung
  • Küchen, Speiseräume
  • Kühl- und Tiefkühlräume, Kühl- und Tiefkühlhäuser
  • Verkaufsstellen, Verkaufsräume
Außerdem: R- und V-Werte für allgemeine Arbeitsräume und -bereiche, u. a. Eingangsbereiche, Treppen, Umkleide- und Wachräume und erstmals für Schrägrampen innen, u. a. Rollstuhlrampen

ASR A1.5/1.2 „Fußböden“

Autor: Uwe Janoske