Wenn die Psyche leidet

Was tun mit Mitarbeitern, die psychisch belastet wirken?

Eine Kollegin wirkt in letzter Zeit niedergeschlagen. Ein Kollege macht einen zunehmend gestressten Eindruck – er verbreitet Hektik und ist unzuverlässig. Eine andere Kollegin hat neuerdings nahe ans Wasser gebaut: Wie geht man als Führungskraft damit um, wenn Mitarbeiter psychisch belastet wirken?

von Andrea Weimar | Akzente 06/14

Michael P. ist Führungskraft in einem Betrieb der Lebenmittelindustrie. Schon lange arbeitet er mit den Kollegen zusammen. Neuerdings hat er das Gefühl, er müsse sich um einen von ihnen Sorgen machen. Doch Michael P. ist unsicher, ob es nicht nur ein subjektiver Eindruck ist, dass sich der Kollege verändert hat. Er fragt sich, ob er etwas ansprechen darf, was nur auf einem Gefühl basiert. Ist das Thema nicht viel zu persönlich? Oder muss er gerade als Führungskraft aktiv werden und nachfragen?

[ Dipl.-Psych. Andrea Weimar ist Arbeits- und Organisationspsychologin und im Bereich Bildung und Organisationsentwicklung der BGN tätig. ]

Sowohl beruflich als auch privat gibt es Anforderungen, die man als negativ und seine Grenzen übersteigend wahrnimmt: Man fühlt sich überfordert und gestresst. Mögliche Folgen: Man ist gereizt, macht Fehler, Konflikte mit Kollegen nehmen zu. Auf Dauer können bei anhaltendem Stress und andauernden psychischen Belastungen Gesundheitsstörungen wie z. B. Schlaf- und Kreislaufstörungen hinzukommen. Alle Krankenkassen berichten über steigende Ausfallzeiten aufgrund der Folgen psychischer Erkrankungen. Auch bei Muskel-, Skelett- und Atemwegserkrankungen ist der Einfluss psychischer Faktoren belegt.

GUT ZU WISSEN

Psychische Belastung ist die Gesamtheit der erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und auf ihn psychisch einwirken.

Psychische Beanspruchung ist die individuelle und unmittelbare Auswirkung psychischer Belastungen auf den Beschäftigten (z. B. auf seine Aufmerksamkeit und Wahrnehmung, Denk- und Gedächtnisleistungen, Gefühle und Empfindungen) in Abhängigkeit von seinen individuellen Voraussetzungen und seinem Zustand.

Persönliche Ressourcen sind Schutzfaktoren, die sich im Laufe unserer Entwicklung ausbilden – also die positiven Potenziale und Energien eines Menschen.

Psychische Erkrankungen sind u. a. Depressionen, Angststörungen oder Suchterkrankungen. Sie beeinträchtigen das Wohlbefinden sehr stark und vermindern die Leistungsfähigkeit bei der Arbeit. Die Folge können Arbeitsunfähigkeit und Frühberentung sein. Die Ursachen dieser psychischen Erkrankungen liegen nicht in der Arbeit. Bei psychischen Erkrankungen/Störungen ist professionelle Hilfe unerlässlich.

Belastende Arbeitsbedingungen
Folgende Arbeitsbedingungen können eine Belastung sein: Zeitdruck, Schichtarbeit, hohe Arbeitsdichte, hohe Anforderungen bei wenig Handlungsspielraum, Überstunden, schlechte Arbeitsorganisation und schlechtes Betriebsklima, zu wenig Anerkennung für großen Arbeitseinsatz sowie ungerechte Arbeitsverteilung.

Ob Mitarbeiter diese Arbeitsbedingungen allerdings als beanspruchend empfinden, hängt von den eigenen Ressourcen (z. B. Fähigkeiten und Kenntnisse) und den organisationalen Ressourcen (z. B. Unternehmenskultur) ab. So kann es sein, dass ein Mitarbeiter eine neue Arbeitsaufgabe als Ansporn empfindet, ein anderer sich dadurch aber unter Druck gesetzt und psychisch beansprucht fühlt. Oder: Arbeiten, die ein gut funktionierendes Team gemeinsam meistert (gute organisationale Ressource), bleiben in einem konfliktbehafteten Team an Einzelnen hängen.

Die Gefährdungsbeurteilung zeigt Schwachstellen und Ansatzpunkte auf
Bei der Feststellung, welche psychischen Belastungen es im Betrieb gibt, hilft die Gefährdungsbeurteilung. Sie zeigt Schwachstellen auf und identifiziert systematisch die Bereiche, wo man im Unternehmen ansetzen muss, um psychische Belastungen zu reduzieren. Hier gibt es viele Ansatzpunkte, z. B. die Arbeitsorganisation, Arbeitsaufgabe, Arbeitsumgebung oder soziale Faktoren. Die BGN unterstützt ihre Mitgliedsbetriebe mit branchenspezifisch orientierten Hilfen zur Beurteilung psychischer Gefährdungen (siehe Kasten).

Bereits kleine Schritte und einfach zu realisierende Veränderungen können das Arbeitssystem positiv verändern. Wichtig ist, die Mitarbeiter einzubeziehen und gemeinsam Lösungen zu finden. Eine Führungskraft hat viele Hebel, an denen sie ansetzen kann, auch wenn nicht alles in ihrer Macht steht. Die Wirksamkeit der Gefährdungsbeurteilung muss systematisch überprüft werden, um Fortschritte zu machen.

Grundsätzlich hilft ein gesunder Führungsstil von Vorgesetzten allen im Team. Er zeichnet sich dadurch aus, dass ein Vorgesetzter auf sich und seine Mitarbeiter achtet und auch weiß, wo die Grenzen seiner Möglichkeiten liegen. Dies gilt besonders, wenn man Anzeichen einer psychischen Erkrankung beobachtet.

Psychische Belastungen sind nicht psychische Erkrankungen
Klar von psychischen Belastungen zu unterscheiden sind psychische Störungen und Erkrankungen. Hier kann die Arbeit beeinflussen, sie ist aber nicht Verursacher.

Dennoch haben Führungskräfte auch hier eine Fürsorgepflicht – insbesondere dann, wenn eine Gefährdung vorliegt. Sie sollten signalisieren, dass sie merken, wenn es einem Mitarbeiter nicht gut geht, und auf Hilfe und Unterstützungsangebote aufmerksam machen. Das kann z. B. mit Hilfe des Betriebsarztes und/oder der Sicherheitsfachkraft geschehen. Wenn wirklich eine psychische Erkrankung vorliegt, ist die professionelle Hilfe eines Arztes oder Psychotherapeuten unerlässlich.

MEDIEN ZUM THEMA

Broschüren

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  • „Kein Stress mit dem Stress – Handlungshilfe für Führungskräfte“
  • „Kein Stress mit dem Stress – Handlungshilfe für Beschäftigte“

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Hör-CD

  • „Gesunder Chef, gesunde Mitarbeiter: Wie Führung auf Gesundheit wirkt“

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Autor: Andrea Weimar