Sichere Alternativen zur herkömmlichen Stehleiter

Die Gefährdungsbeurteilung bewertet die Risiken des Leitereinsatzes und führt zur sichersten Lösung

Wenn es zum Arbeiten hoch hinauf gehen muss, kommt meist eine Stehleiter zum Einsatz. Doch bei der Mehrzahl der Aufstiege sind herkömmliche Sprossen- und Stufenstehleitern nicht die richtige Wahl, weil sie für die geplanten Arbeiten zu unsicher sind. Der Arbeitgeber prüft mit der Gefährdungsbeurteilung den Einsatz sicherer Alternativen. Davon gibt es eine ganze Reihe.

von Karin Carl-Mattarocci | Akzente

Abstürze von Stehleitern sind die Nummer eins unter den Absturzunfällen. Wegen des erhöhten Unfallrisikos ist der Gebrauch von Stehleitern auch nur eingeschränkt erlaubt. Eine Leiter darf als hoch gelegener Arbeitsplatz nur benutzt werden, wenn damit eine geringe Gefährdung verbunden ist und wenn die Arbeitsdauer gering ist. Außerdem kann eine Leiter benutzt werden, wenn aufgrund der baulichen Gegebenheiten keine anderen sichereren Aufstiege eingesetzt werden können.

Wann aber handelt es sich um eine Arbeit von geringem Umfang und mit geringer Gefährdung? Um diese Frage zu beantworten, müssen mehrere Faktoren beurteilt werden:

Beispielhafte, konkrete Beurteilungshilfen enthält die BG-Information „Handlungsanleitung für den Umgang mit Leitern und Tritten“ (DGUV-Information 208-16) (siehe Kasten).

BEURTEILUNGSHILFEN FÜR DEN LEITEREINSATZ

Beispiele nach DGUV Information 208-16 „Handlungsanleitung für den Umgang mit Leitern und Tritten

  • Der Standplatz auf der Leiter liegt nicht höher als 7,00 m über der Aufstellfläche.
  • Bei einem Standplatz von mehr als 2,00 m Höhe: Die von der Leiter auszuführenden objektbezogenen Arbeiten dauern höchstens zwei Stunden.
  • Das mitzuführende Werkzeug und Material wiegt maximal 10 kg.
  • Es werden keine Gegenstände mitgeführt, deren Windangriffsfläche größer als 1 m² ist.
  • Es werden keine Stoffe oder Geräte benutzt, von denen zusätzliche Gefahren für den Beschäftigten ausgehen.
  • Die Arbeiten erfordern einen geringeren Kraftaufwand, als der, der zum Kippen der Leiter ausreicht.
  • Der Beschäftigte steht mit beiden Füßen auf einer Sprosse/Stufe.

Zuerst die Gefährdungsbeurteilung
Generell gilt der Grundsatz, dass für Arbeiten an hoch gelegenen Stellen das sicherste, wirtschaftlich angemessene Arbeitsmittel einzusetzen ist. Im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung ist deshalb vor Beginn der Tätigkeiten zu klären, ob es Hilfsmittel gibt, die den Leitereinsatz überflüssig machen. Ist dies nicht der Fall, so ist festzuhalten, welches Arbeitsmittel oder Arbeitsverfahren sich zur sicheren Durchführung der Tätigkeiten eignet.

Hilfsmittel verwenden, die Leitern überflüssig machen
Typisch in Produktionsbereichen: Von der Stehleiter aus reinigt ein Mitarbeiter mit einer Reinigungslanze über Kopf hantierend schwer erreichbare Stellen wie Wände oder höher gelegene Anlagenteile. Eine anstrengende und ermüdende Arbeit. Unter Umständen kann darauf verzichtet werden. Denn: Für einfache Reinigungsaufgaben gibt es Teleskopstangen mit einem speziellen Reinigungsaufsatz.

[ Zu oft werden Stehleitern eingesetzt, obwohl sie für die Art der Arbeiten zu unsicher sind. ]

Ein Gürtel mit einer Halterung zum Abstützen der Teleskopstange ist dabei gute Praxis. Die Teleskopstangen gibt es auch als Wasserdurchlaufstangen. Mit solchen „langen Lanzen“ kann von einem sicheren Standplatz auf dem Hallenboden aus gearbeitet werden. Eine zusätzlicher Vorteil: Gewicht und Ergonomie des Lanzensystems sorgen für angenehmeres, ermüdungsarmes Arbeiten.

Über anderes Arbeitsmittel oder Arbeitsverfahren nachdenken
Immer dann, wenn man bei einer Arbeit die Leiter oft versetzen oder häufig auf- und absteigen muss (z. B. beim Reinigen großer Flächen oder beim Streichen und Verputzen), sollte man über ein alternatives Arbeitsmittel nachdenken. Die Praxis nämlich zeigt: Ständiges Versetzen der Leiter findet bei ihren Benutzern wenig Akzeptanz. Stattdessen beugen sie sich über die Leiter hinaus und riskieren damit, dass sie kippt. Die Änderung des Arbeitsverfahrens ist angebracht, wenn die Arbeit ein lang andauerndes Überkopfhantieren erfordert. Dies ist z. B. bei Montagetätigkeiten an Rohrleitungen, Kabelkanälen und hoch liegenden Transportbändern der Fall. Ziel ist, die Arbeit so zu organisieren, dass von einer erhöhten, sicheren Standfläche aus auf einer Ebene gearbeitet werden kann.

Sichere Arbeitsmittel – gute Alternativen zur Stehleiter
Ein sichereres Arbeitsmittel als die Stehleiter und damit eine gute Alternative ist das Fahrgerüst (Bild 1). Es kann schnell montiert werden und ist kostengünstiger als eine kraftbetriebene Arbeitsbühne. Es verfügt über Absturzsicherungen, bestehend aus Handlauf, Knie- und Fußleiste. Die gebremsten Rollen verhindern, dass das Fahrgerüst aus der Arbeitsposition wegrutscht.

Bild 1: Fahrgerüst

Bild 1: Fahrgerüst

Alternativ zum Fahrgerüst können auch eine vom Standplatz aus verfahrbare Scherenhubbühne oder ein Personenlift eingesetzt werden. Die Anschaffungskosten dieser Arbeitsmittel liegen in der Regel über denen eines Fahrgerüsts. Eine verfahrbare Scherenhubbühne bietet einen sicheren Standplatz und kann je nach Bauart auch in schwer zugänglichen Bereichen eingesetzt werden.

Für Tätigkeiten, wie beispielsweise das Ein- und Auslagern kleinerer Packstücke aus einer Regalfläche, bietet sich eine fahrbare Stehleiter an. Sie ist immer dann eine gute Lösung, wenn man an häufig wechselnden Stellen unterschiedlich hoch gelegene Regalflächen erreichen muss. Die fahrbare Stehleiter muss eine druckfeste Spreizsicherung haben, die bei Gebrauch ein ungewolltes Zusammenklappen der Holme verhindert.

Wenn man z. B. sperrige und/oder schwere Gegenstände aus einem Regal entnehmen muss, ist eine Podestleiter gut geeignet. Ihr großer Vorteil gegenüber der herkömmlichen Stehleiter: Die Podestleiter hat eine Plattform und damit eine sichere Standfläche. Auf der Plattform hat man deutlich mehr Bewegungsfreiheit als auf der einfachen Stehleiter und man kann mit beiden Händen arbeiten. Es gibt Podestleitern mit einem an drei Seiten umlaufenden Geländer und auch solche, die nur an einer Seite einen Bügel haben. Darüber hinaus gibt es höhenverstellbare (teleskopierbare) Podestleitern (Bild 2), die sich optimal auf die jeweilige Arbeitshöhe einstellen lassen.

Bild 2 Bild 3

Bild 2 und 3: Teleskopierbare Podestleiter mit umlaufendem Geländer und Transportrollen

Mit Transportrollen ausgerüstete, zusammenklappbare Podestleitern (Bild 3) lassen sich gut manövrieren und platzsparend aufbewahren. Zu empfehlen sind federgelagerte Rollen, die, sobald jemand die Leiter besteigt, automatisch durch das einwirkende Gewicht der Person gesichert werden.

Die Sicherheit verbesserndes Leiterzubehör verwenden
Ein einfaches Zubehör, um die Standsicherheit des Leiterbenutzers auf der Leiter deutlich zu verbessern, sind Einhängetritte (Bild 4). Sie bieten den Füßen eine größere Standfläche als eine Leitersprosse oder -stufe.

Bild 7: Einhängetritt, beim Leiteraufstieg
nach hinten weggeklappt

Bild 4: Einhängetritt, beim Leiteraufstieg nach hinten weggeklappt

Auch die Standsicherheit der Leiter lässt sich mit preisgünstigem Leiterzubehör deutlich verbessern. Je nach Arbeitsaufgabe und räumlichen Verhältnissen bietet sich die Verwendung von Fußtraversen (Bild 5), Spezial-Leiterfüßen und Holmverlängerungen für unterschiedlich hohe Standflächen oder auch Unterlegleisten (Bild 5) an. Diese einfachen Hilfsmittel können viel zur Unfallverhütung beitragen, z. B. bei Reinigungsarbeiten von Leitern aus.

Bild 5: Unterlegleiste gegen Wegrutschen

Einhängbarer Bügel gegen Absturz mit Werkzeugablage

Einhängbarer Bügel gegen Absturz mit Werkzeugablage

Leiterfuß-Traverse für unterschiedlich hohe
Standflächen der Leiterholme

Leiterfuß-Traverse für unterschiedlich hohe Standflächen der Leiterholme

Rutschfeste
Auflage für Sprosse(n)

Rutschfeste Auflage für Sprosse(n)

Autor: Karin Carl-Mattarocci