Wenn ein alkoholisierter Mitarbeiter am Arbeitsplatz einen Unfall hat, ist er dann eigentlich BG-versichert? Und wie verhält sich ein Vorgesetzter richtig, wenn er einen alkoholisierten Mitarbeiter an seinem Arbeitsplatz antrifft?
von Nadine Bugla und Dr.-Ing. Markus Hartmann
Alkohol und Arbeit passen nicht zusammen: Mit steigender Blutalkoholkonzentration steigt die Unfallwahrscheinlichkeit. Das bedeutet jedoch nicht, dass ein Mitarbeiter mit Alkohol im Blut von vornherein bei der Arbeit nicht gesetzlich unfallversichert ist.
Es hängt vom Grad der Alkoholisierung ab, ob ein unter Alkoholeinfluss stehender Mitarbeiter bei einem Unfall am Arbeitsplatz gesetzlich unfallversichert ist oder nicht. Entscheidend ist, ob bei dem alkoholisierten Mitarbeiter ein Leistungsausfall, das heißt Volltrunkenheit, oder nur ein Leistungsabfall vorlag.
[ Nadine Bugla ist
Mitarbeiterin der
BGN-Bezirksverwaltung
in Mannheim.
Dr.-Ing. Markus
Hartmann ist Mitarbeiter
der BGN-Prävention
und betreut
als Aufsichtsperson
Mitgliedsbetriebe. ]
Ist ein Mitarbeiter volltrunken und hat am Arbeitsplatz einen Unfall, dann ist das kein Arbeitsunfall. Bei einem Arbeitsunfall nämlich fordert die Rechtsprechung einen inneren Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall.
Ein volltrunkener Mitarbeiter aber ist nicht mehr in der Lage, die wesentlichen Arbeitsschritte durchzuführen. Er verrichtet also keine dem Unternehmen förderliche Tätigkeit mehr und damit auch keine versicherte Tätigkeit mehr. Und das bedeutet: Es besteht auch kein gesetzlicher Unfallversicherungsschutz mehr.
Muss bei einem Unfall beurteilt werden, ob der Verunglückte volltrunken war oder nicht, ist die Blutalkoholkonzentration eines von mehreren Kriterien. Außerdem müssen die Verfassung des Mitarbeiters und die von ihm zu erledigenden Arbeitsschritte berücksichtigt werden.
Volltrunkenheit schließt in jedem Fall den Unfallversicherungsschutz aus. Auch dann, wenn der volltrunkene Mitarbeiter durch Einwirkungen zu Schaden kam, die er nicht verursachte, wie beispielsweise eine Explosion oder ein Gebäudeeinsturz.
Hat ein Mitarbeiter lediglich einen alkoholbedingten Leistungsabfall und keinen Leistungsausfall, dann führt er rechtlich gesehen noch eine versicherte Tätigkeit durch. Er ist trotz geminderter Leistungsfähigkeit noch in der Lage, eine zweckgerichtete Arbeit zu verrichten. Hier besteht Unfallversicherungsschutz, weil grundsätzlich ein innerer Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Unfall (Unfallkausalität) angenommen wird.
Anders liegt der Fall, sollte sich bei einem Unfall herausstellen, dass ausschließlich der Alkoholeinfluss den Unfall bedingte und damit rechtlich die alleinige Unfallursache war. Das ist jedoch nur gegeben, wenn der Unfallhergang typisch für einen unter Alkoholeinfluss Stehenden war und nicht ebenso gut andere Ursachen hätte haben können: zum Beispiel Unaufmerksamkeit, Leichtsinn, Übermüdung oder die körperliche Verfassung.
Experten gehen davon aus, dass bis zu sieben Prozent der arbeitenden Bevölkerung in Deutschland ein Alkoholproblem haben. Somit ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass eine Führungskraft mit dem Thema konfrontiert wird.
Es ist Aufgabe der direkten Vorgesetzten zu entscheiden, ob ein alkoholisierter Mitarbeiter vom Arbeitsplatz entfernt werden muss. Sofortiger Handlungsbedarf besteht, wenn ein unter Alkoholeinfluss stehender Mitarbeiter erkennbar nicht mehr in der Lage ist weiterzuarbeiten. Die Situation dulden oder ignorieren kann für einen Vorgesetzten fatale Folgen haben.
Wann muss ein Vorgesetzter bei einem alkoholisierten
Mitarbeiter einschreiten?
Wenn er erkennt, dass dieser Mitarbeiter einen Zustand
erreicht hat, in dem er nicht mehr in der Lage
ist, sicher und korrekt zu arbeiten. Oder wenn er für
sich oder andere eine Gefahr darstellt.
Was tun, wenn Vorgesetzter und Mitarbeiter unterschiedlicher
Meinung sind?
Ein Vorgesetzter sollte sich niemals auf Diskussionen
mit einem alkoholisierten Mitarbeiter einlassen
– weder über Trinkmengen, noch über deren
Auswirkungen auf seine Arbeitsfähigkeit. Vorgesetzte
allein entscheiden nach ihrer subjektiven
Wahrnehmung, ob ein Mitarbeiter in der Lage ist
weiterzuarbeiten. Wer Verantwortung trägt, entscheidet.
Darf ein Vorgesetzter einen alkoholisierten
Mitarbeiter einfach nach Hause schicken?
Ist ein Mitarbeiter infolge Alkoholkonsums nur
leicht beeinträchtigt, kann sein Vorgesetzter ihn
nach Hause schicken oder zumindest aus dem Verkehr
ziehen und beobachten.
Ist ein Mitarbeiter dagegen alkoholisiert und stark beeinträchtigt, darf ein Vorgesetzter ihn keinesfalls unbeaufsichtigt lassen. Er muss dafür sorgen, dass der Betrunkene sicher nach Hause gelangt. Um seine Fürsorgepflicht als Vorgesetzter zu erfüllen, muss er zumutbare Maßnahmen ergreifen: zum Beispiel den Betrunkenen selbst nach Hause bringen oder einen Kollegen beauftragen, dies zu übernehmen. Möglich ist auch, dass ein Angehöriger oder Freund den Betrunkenen im Betrieb abholt und nach Hause bringt.
Ist ein alkoholisierter Mitarbeiter hilflos oder desorientiert, muss unverzüglich notfallmedizinische Hilfe angefordert werden.
Welche rechtlichen Konsequenzen können auf Vorgesetzte
zukommen?
Wenn bei einem Unfall einem Vorgesetzten nachgewiesen
wird, dass er von der Alkoholisierung des
Mitarbeiters wusste und ihn nicht am Weiterarbeiten
hinderte, kann er in Regress genommen werden.
Er kann wegen seiner Pflichtverletzung, u. a.
auch der Aufsichtspflicht, sogar strafrechtlich belangt
und/oder zivilrechtlich haftbar gemacht werden.
Beim Thema Alkohol im Betrieb sind die direkten Vorgesetzten in der Verantwortung. Sie haben die nicht immer leichte Aufgabe, in solch einem Fall zu entscheiden, ob und wie gehandelt werden muss.