Deutlich kleinere Ex-Zonen

Überraschende Ergebnisse bei Messungen von Alkoholdampf-Konzentrationen

ein Braukessel

Die BGN hat in Brennereien und in Spirituosenbetrieben Ethanoldampf-Konzentrationen bei verschiedenen Verfahrensschritten gemessen. Dadurch war es möglich, die Ausdehnung von Explosionszonen auf das tatsächliche Gefährdungsmaß abzustimmen. In den weitaus meisten Fällen bedeutete dies eine deutliche Reduzierung der Zonenbereiche.

von Dr. Markus Wenzel

F ür die Gefährdungsbeurteilung bei explosionsfähigen Gas/Dampf/Luft-Gemischen wurde das sogenannte Zonenmodell entwickelt. Die Zonen 0, 1 und 2 beschreiben die Wahrscheinlichkeit und Dauer einer explosionsfähigen Atmosphäre (siehe Kasten). Innerhalb dieser drei Zonen für Gase und für Dämpfe brennbarer Flüssigkeiten müssen Maßnahmen zur Vermeidung von Zündquellen getroffen werden, die an die jeweilige Auftrittswahrscheinlichkeit einer gefährlichen explosionsfähigen Atmosphäre angepasst sind.

Überzogene Zonenausmaße im Regelwerk …

Insbesondere müssen innerhalb der Zonen alle Geräte mit potenziellen Zündquellen explosionsgeschützt sein und der ATEX-Richtlinie 94/9/EG entsprechen. Ex-geschützte Geräte haben aber ihren Preis. Deshalb stellt sich hier immer wieder die Frage: Wie groß muss man die Ausdehnung der Explosionszonen wählen?

Es ist nachvollziehbar, bei nicht genau bekannten Gefahren lieber auf Nummer sicher zu gehen. Das aber führte im Laufe der Jahre dazu, dass im Regelwerk bisweilen exorbitant überzogene Zonenausmaße vorgeschrieben waren. Danach wären z. B. um das offene Vorlagengefäß einer Destille 3 Meter kugelförmig die Zone 1 und weitere 6 Meter die Zone 2 zu veranschlagen gewesen. Insgesamt also ein Bereich von 9 Metern, in dem nur ex-geschützte Gerätschaften hätten betrieben werden dürfen.

… auf dem Prüfstand: Messungen unter Worst-Case-Bedingungen

Orientierende Messungen der BGN an Ethanol verarbeitenden Anlagen wie Desinfektionen an Füllern und Tiefziehmaschinen oder Wodka-Abfüllungen in Schlauchbeutelmaschinen hatten bereits gezeigt: Eine explosionsfähige Atmosphäre durch Alkoholdämpfe tritt nur in deutlich geringerem Maße auf, als zunächst erwartet.

Daraufhin hat die Gefahrstoff-Messstelle der BGN auch Ethanoldampf-Konzentrationen in Brennereien und Spirituosenbetrieben bei branchenüblichen Verfahrensschritten wie Rohrbogen- und Filterwechsel, Tankbefüllung, Destillation, Ausmischung usw. gemessen. Dabei wurden die Prozent der unteren Explosionsgrenze (UEG) möglichst bei Worst-Case-Bedingungen wie hohe Außentemperatur, Windstille, ausgeschaltete Raumlüftungen usw. ermittelt.

Explosionsfähige Atmosphäre geringer als erwartet

Die Ergebnisse überraschten. Überall dort, wo Ethanoldämpfe bei Umgebungstemperatur (!) einer natürlichen Luftbewegung ausgesetzt sind, findet sofort eine schnelle Verdünnung in Konzentrationsbereiche weit unterhalb der UEG statt. Dies wurde an offenen Systemen wie z. B. einem Vorlagebehälter zum Auffangen von Destillat nachgewiesen. Schon in wenigen Zentimetern Entfernung vom Behälterrand werden lediglich einige Prozent UEG erreicht. Bereits dort wäre überhaupt keine Zone festzulegen.

Dieser Verdünnungseffekt trat auch beim Befüllen von Tanks mit leistungsstarken Pumpen (40 m3/h) auf. Auch hier konnte durch Messung nachgewiesen werden, dass selbst bei annähernder Windstille eine tatsächlich explosionsfähige Atmosphäre bereits im Abstand von weniger als 2,0 m um die Entlüftungsöffnungen im Außenbereich nicht mehr gegeben war.

Nennenswerte Alkoholdampf-Konzentrationen findet man nur innerhalb von Behältern mit hochprozentigem Alkohol und im Nahbereich um die Behälteröffnung herum.

Ein Alkohol/Wasser-Gemisch generiert aufgrund seines Dampfdrucks ständig Alkoholdämpfe oberhalb der Flüssigkeitsoberfläche. In geschlossenen Systemen ohne Luftaustausch, z. B. in einem Tank, bildet sich im Laufe mehrerer Stunden die theoretisch mögliche maximale Konzentration von Ethanol in der Luft. Diese Konzentration hängt allein von der Temperatur und dem Ethanolgehalt des Alkohol/Wasser-Gemischs im Tank ab.

Auch bislang nicht bekannte Gefahren entdeckt

Nicht überall konnte nach unten korrigiert werden. Die BGN-Messungen zeigten auch Gefahren auf, die bislang nicht bekannt waren: In großen Tanks mit geringem Füllgrad können beim Öffnen der Mannlochdeckel – etwa für Reinigungsarbeiten – enorme Mengen an explosionsfähiger Atmosphäre in die Betriebsräume ausströmen. Somit wurde ein durchaus kritischer Verfahrensschritt identifiziert.

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ZONEN-DEFINITIONEN
Zone 0 ist ein Bereich, in dem gefährliche explosionsfähige Atmosphäre als Gemisch aus Luft und brennbaren Gasen, Dämpfen oder Nebeln ständig, über lange Zeit- räume oder häufig vorhanden ist.
Zone 1 ist ein Bereich, in dem sich im Normalbetrieb gelegentlich eine gefährliche explosionsfähige Atmosphäre als Gemisch aus Luft und brennbaren Gasen, Dämpfen oder Nebeln bilden kann.
Zone 2 ist ein Bereich, in dem im Normalbetrieb eine gefährliche explosionsfähige Atmosphäre als Gemisch aus Luft und brennbaren Gasen, Dämpfen oder Nebeln normalerweise nicht auftritt, und wenn doch, dann nur selten und für kurze Zeit.
Autor: Dr. Markus Wenzel