7 Arbeitsmedizinische Prävention

Die arbeitsmedizinische Prävention umfasst in der Regel die Beteiligung des Betriebsarztes an der Gefährdungsbeurteilung, die allgemeine arbeitsmedizinische Beratung und die arbeitsmedizinische Vorsorge.

 

7.1 Beteiligung des Arbeitsmediziners an der Gefährdungsbeurteilung

In der Gefährdungsbeurteilung sind entsprechend der ermittelten spezifischen Gefährdungen arbeitsmedizinische Fragestellungen zu beachten und zu beurteilen.

Das Spektrum der in Abfällen vorkommenden Biostoffe variiert in Abhängigkeit von Art, Herkunft und Aufarbeitung der Abfälle. Hierbei können die Expositionsverhältnisse zeitlich starken Schwankungen unterliegen und auch räumlich sehr unterschiedlich sein und z. B. vom Arbeitsbereich, Arbeitsverfahren, Arbeitsmanagement und Hygienezustand des Arbeitsplatzes abhängen. Entsprechend kann ein breites Spektrum an sensibilisierenden, toxischen und infektiösen Wirkungen auf den Menschen auftreten.

Als Aufnahmepfade können Atemwege, Mund sowie Haut- bzw. Schleimhaut in Frage kommen. Es besteht zudem die Gefahr von verletzungsbedingten Infektionen, da z. B. auch weggeworfene, gebrauchte Spritzen und Kanülen in Haushaltsabfällen vorzufinden sind.

Aufgrund dieser komplexen Gefährdungssituation hat der Arbeitgeber für eine fachkundige Durchführung der Gefährdungsbeurteilung arbeitsmedizinischen Sachverstand einzubeziehen (vgl. AMR 3.2 [29]). Dem Arzt sind alle erforderlichen Auskünfte über die Arbeitsplatzverhältnisse zu erteilen und die Begehung des Arbeitsplatzes zu ermöglichen.

 

7.2 Allgemeine arbeitsmedizinische Beratung

(1) Im Rahmen der Unterweisung nach Nummer 5.5 Absatz 14 dieser TRBA hat eine allgemeine arbeitsmedizinische Beratung der Beschäftigten zu erfolgen. Dabei ist der bestellte Betriebsarzt bzw. der mit der Durchführung der arbeitsmedizinischen Vorsorge beauftragte Arzt einzubeziehen (vgl. AMR 3.2). Eine Beteiligung ist z. B. auch durch die Schulung der Personen, die die Unterweisung durchführen, oder durch die Mitwirkung bei der Erarbeitung von Unterweisungsmaterialien gegeben.

(2) Entsprechend dem Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung sind die Beschäftigten zu beraten

  1. hinsichtlich der sensibilisierenden Wirkungen über:
    a. die Möglichkeit von Sensibilisierungen und allergischen Erkrankungen durch schimmelpilzhaltige Stäube sowie die entsprechenden Symptome wie
    • am Auge: Bindehautentzündung mit Rötung, Tränenfluss, Lidschwellung, Fremdkörpergefühl und Juckreiz,
    • an den oberen Atemwegen (Nase): Fließschnupfen, Stockschnupfen, Niesreiz, Verminderung des Riechvermögens,
    • an den tiefen Atemwegen: pfeifende Atemnot, Gefühl der Brustenge, Husten, Auswurf, Kurzatmigkeit, Überempfindlichkeit der Atemwege (bronchiale Hyperreagibilität), Minderung der Lungenfunktion,
    • an Haut und Mundschleimhaut: Hautausschläge mit Rötungen und Schwellungen (Quaddeln), Juckreiz an Gaumen, Haut oder im Gehörgang, Lippenschwellung sowie Entzündung der Mundschleimhaut,
    und die Tatsache, dass Symptome direkt bei Exposition (Sofort-Typ-Allergie) oder um zwei bis acht Stunden zeitversetzt und oft schleichend einsetzend (Typ III-Allergie) auftreten können,
    b. die möglichen gesundheitlichen Risiken, die insbesondere eine familiäre Prädisposition zur Allergieentstehung oder eine bereits bestehende allergische Erkrankung (z. B. Heuschnupfen, allergisches Asthma, chronische Atemwegs-/Lungenerkrankungen) sowie vorliegende Infekte (z. B. Erkältungen) haben können und die Möglichkeiten, die in einem solchen Fall bestehen (z. B. Hinweis auf Wunschvorsorge oder Tätigkeitsanpassung),
    c. die konkreten Tätigkeiten, bei denen persönliche Schutzausrüstungen zu tragen sind sowie die Anleitung zu deren Handhabung. Die Notwendigkeit der Maßnahmen soll erläutert werden, um die Akzeptanz zu gewinnen,
    d. soweit relevant die Problematik von Feuchtarbeit einschließlich der Hautschutz- und Hautpflegemaßnahmen.
  2. hinsichtlich möglicher toxischer Wirkungen, insbesondere über:
    a. Ursache und Herkunft (Endotoxine, Mykotoxine, Glucane),
    b. Symptome (unspezifische Beschwerden der Schleimhäute, der Atemwege, des Verdauungstraktes, und grippeähnliche Symptome – Organic dust toxic syndrome [ODTS]).
  3. hinsichtlich der infektiösen Wirkungen über:
    a. relevante Krankheitserreger,
    b. deren Vorkommen (zum Beispiel Hepatitis-B-Viren in gebrauchten Spritzen mit Blutresten, Hantaviren, Lepto-spiren bei Vorkommen von Ratten, Psittacose-Erreger bei Vögeln),
    c. deren Übertragungswege,
    d. Krankheitsbilder,
    e. das evtl. erhöhte individuelle Erkrankungsrisiko bei verminderter Immunabwehr,
    f. die Sofortmaßnahmen und Maßnahmen der postexpositionellen Prophylaxe sowie das weitere Vorgehen entsprechend aktueller Empfehlungen im Hinblick auf Schnitt- oder Stichverletzungen (z. B. an einer kontaminierten Kanüle),
    g. über die Möglichkeit von Schmier- und Kontaktinfektionen von kontaminierter Kleidung auf vermeintlich saubere Hände bzw. vermeintlich saubere Flächen.

(3) In der allgemeinen arbeitsmedizinischen Beratung sollen die Beschäftigten über die auf der Basis der Gefährdungsbe-urteilung festgelegte arbeitsmedizinische Vorsorge und ggf. mögliche Impfungen informiert werden. Zudem ist auf die erforderliche arbeitsmedizinische Pflicht- und Angebots-vorsorge hinzuweisen, sowie auf das Recht, beim Auftreten einer möglicherweise tätigkeitsbedingten Erkrankung eine Angebotsvorsorge nach § 5 Absatz 2 ArbMedVV wahrzunehmen [26].

(4) Die Beschäftigten sind darüber hinaus zu informieren und zu beraten über:

  1. die Notwendigkeit des Gebrauchs von persönlicher Schutzausrüstung (insbesondere Schutzkleidung, Schutzhandschuhe, je nach Tätigkeit auch Atemschutz), deren Handhabung und den Wechselturnus soweit erforderlich,
  2. die Belastungen durch das Tragen von persönlicher Schutzausrüstung (insbesondere Atemschutz und Schutzhandschuhe),
  3. die konsequente Umsetzung von Hygienemaßnahmen und
  4. das Vorgehen bei Symptomen, die ihre Ursache in der Tätigkeit haben können (z. B. Information des Hausarztes über die ausgeübte Tätigkeit, Mitteilung an den für die Arbeiten Verantwortlichen).

 

7.3 Arbeitsmedizinische Vorsorge

7.3.1 Pflichtvorsorge

In Abhängigkeit vom Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung können sich Anlässe für Pflichtvorsorge gemäß Anhang der ArbMedVV ergeben bei

Die Pflichtvorsorge ist Tätigkeitsvoraussetzung.

7.3.2 Angebotsvorsorge

Anlässe für Angebotsvorsorge nach Anhang Teil 2 Absatz 2 ArbMedVV können bestehen bei

Falls es sich um Tätigkeiten mit impfpräventablen Biostoffen handelt und das Infektionsrisiko tätigkeitsbedingt und im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erhöht ist, schließt die Vorsorge Impfangebote nach ärztlicher Beratung mit ein (vgl. AMR 6.5).

Daneben können sich in Abhängigkeit von der Gefährdungsbeurteilung weitere Anlässe für Angebotsvorsorge gemäß Anhang der ArbMedVV ergeben bei

7.3.3 Wunschvorsorge

Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten nach § 11 Arbeitsschutzgesetz bzw. § 5a Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) arbeitsmedizinische Vorsorge zu ermöglichen, sofern ein Gesundheitsschaden im Zusammenhang mit der Tätigkeit nicht ausgeschlossen werden kann. Im Anwendungsbereich dieser TRBA kann dies z. B. bei Feuchtarbeit unter zwei Stunden je Tag der Fall sein.