Anhang 2
Vergleichende Bewertung der gesundheitlichen und sicherheitstechnischen Gefährdungen (Spaltenmodell)

Das Spaltenmodell

(1) Das Spalten-Modell (siehe Tabelle 5) erlaubt einen schnellen Vergleich von Stoffen und Gemischen anhand weniger Informationen.

(2) Eine vergleichende Bewertung eines Produktes und einer potenziellen Substitutionslösung wird jeweils getrennt für beide Lösungen durchgeführt in den fünf Spalten:

  1. akute Gesundheitsgefahren (einmalige Einwirkung),
  2. chronische Gesundheitsgefahren (wiederholte Einwirkung),
  3. Umweltgefahren,
  4. Physikalisch-chemische Einwirkungen (Brand, Explosion, Korrosion u. a.),
  5. Freisetzungsverhalten und
  6. Verfahren.

(3) Die Bewertung der Ergebnisse sollte folgende Kriterien berücksichtigen:

  1. Vergleichende Bewertungen dürfen immer nur innerhalb einer Spalte und keinesfalls innerhalb einer Zeile vorgenommen werden.
  2. Es darf nur angewandt werden, wenn der Hersteller die Stoffe oder Gemische (im Hinblick auf die gesundheitliche Gefährdung zumindest bezüglich akuter Toxizität, Hautreizung, Schleimhautreizung, erbgutveränderndem Potential und Hautsensibilisierung) auf Basis vorliegender Daten und Erfahrungen unter Einbeziehung vorhandener Datenlücken bewertet hat (siehe Sicherheitsdatenblatt Abschnitte 9 und 11).
  3. Grundsätzlich sind geringe Unterschiede der Gefährdungsstufen nur dann ein Argument für einen Ersatzstoff, wenn die Datenlage bei dem Ersatzstoff ähnlich gut ist wie bei dem zu ersetzenden Stoff.
  4. Schneidet die potenzielle Substitutionslösung in allen fünf Spalten besser ab als das verwendete Produkt oder Verfahren, ist die Höhe der Gefährdung eindeutig geklärt.
  5. Ein Unterschied von einer Gefährdungsstufe kann mitunter beim Vorliegen entgegenstehender Gründe dazu führen, dass der Ersatzstoff nicht eingesetzt wird.
  6. Liegen Unterschiede von zwei oder mehr Gefährdungsstufen vor, müssen wichtige Gründe vorliegen, den Ersatzstoff nicht einzusetzen.
  7. Der Regelfall wird jedoch sein, dass der potenzielle Ersatzstoff in einigen Spalten eine geringere Gefährdungsstufe, aber auch in einer oder zwei Spalten eine höhere Gefahrenstufe aufweist. Dann obliegt es dem Verwender zu beurteilen, welche Gefahreneigenschaften, d. h. welche Spalten im konkreten Fall das größere Gewicht haben:
    a) Lassen sich beispielsweise bei der Produktverarbeitung Zündquellen nicht ausschließen, wird man verstärkt auf die Brand- und Explosionseigenschaften sowie das Freisetzungsverhalten der Produkte achten müssen.
    b) Entstehen bei der Verarbeitung größere Mengen Abfälle, haben die Umweltgefahren ein höheres Gewicht usw.
  8. Das Ergebnis der Substitutionsprüfung ist zu dokumentieren.
(3) Bei Gemischen wird keine Bewertung unter Betrachtung der Inhaltsstoffe durchgeführt. Durch diese pragmatische Vorgehensweise werden gewisse Nachteile in Kauf genommen, die sich z. B. aus der Existenz von Einstufungsgrenzen bei Gemischen ergeben.

Tabelle 5: Spaltenmodell

1 Gefahr 2a Akute Gesundheitsgefahren
(einmalige Einwirkung)
2b Chronische Gesundheitsgefahren
(wiederholte Einwirkung)
3 Umweltgefahren1
Sehr hoch – Akut toxische Stoffe/Gemische, Kategorien 1 oder 2
(H300, H310, H330)
– Stoffe/Gemische, die bei Berührung mit Säure sehr giftige Gase bilden können (EUH032)
– Krebserzeugende Stoffe/Gemische, Kategorien 1A oder 1B (H350, H350i)
– Krebserzeugende Tätigkeiten oder Verfahren nach TRGS 906
– Keimzellmutagene Stoffe/Gemische, Kategorien 1A oder 1B (H340)
– Akut gewässergefährdende Stoffe/Gemische, Kategorie 1 (H400)
– Chronisch gewässergefährdende Stoffe/Gemische, Kategorie 1 (H410)
– Stoffe/Gemische der Wasser­gefährdungs­klasse WGK 3
– PBT-Stoffe
– vPvB-Stoffe
Hoch – Akut toxische Stoffe/Gemische, Kategorie 3
(H301, H311, H331)
– Stoffe/Gemische, die bei Kontakt mit den Augen giftig sind (EUH070)
– Stoffe/Gemische, die bei Berührung mit Wasser oder Säure giftige Gase bilden können (EUH029, EUH031)
– Stoffe/Gemische mit spezifischer Zielorgan-Toxizität bei einmaliger Exposition, Kategorie 1: Organschädigung (H370)
– Hautsensibilisierende Stoffe/Gemische (H317, Sh)
– Atemwegssensibilisierende Stoffe/Gemische (H334, Sa)
– Hautätzende Stoffe/Gemische, Kat. 1, 1A (H314)
– Reproduktions­toxische Stoffe/Gemische, Kategorien 1A oder 1B (H360, H360F, H360D, H360FD, H360Fd, H360Df)
– Krebserzeugende Stoffe/Gemische, Kategorie 2 (H351)
– Keimzellmutagene Stoffe/Gemische, Kategorie 2 (H341)
– Stoffe/Gemische mit spezifischer Zielorgan-Toxizität bei wiederholter Exposition, Kategorie 1: Organschädigung (H372)
– Chronisch gewässergefährdende Stoffe/Gemische, Kategorie 2 (H411)
– Stoffe, die die Ozonschicht schädigen (H420)
Mittel – Akut toxische Stoffe/Gemische, Kategorie 4
(H302, H312, H332)
– Stoffe/Gemische mit spezifischer Zielorgan-Toxizität bei einmaliger Exposition, Kategorie 2: Mögliche Organschädigung (H371)
– Hautätzende Stoffe/Gemische, Kat. 1B, 1C
(H314, pH ≥ 11,5, pH ≤ 2)
– Augenschädigende Stoffe/Gemische (H318)
– Stoffe/Gemische, die ätzend auf die Atemwege wirken (EUH071)
– Nichttoxische Gase, die durch Luftverdrängung zu Erstickung führen können (z. B. Stickstoff)
– Reproduktions­toxische Stoffe/Gemische, Kategorie 2 (H361, H361f, H361d, H361fd)
– Stoffe/Gemische mit spezifischer Zielorgan-Toxizität bei wiederholter Exposition, Kategorie 2: Mögliche Organschädigung (H373)
– Stoffe/Gemische, die Säuglinge über die Muttermilch schädigen können (H362)
– Chronisch gewässer­gefährdende Stoffe/Gemische, Kategorie 3 (H412)
– Stoffe/Gemische der Wasser­gefährdungs­klasse WGK 2
Gering – Hautreizende Stoffe/Gemische (H315)
– Augenreizende Stoffe/Gemische (H319)
– Hautschädigung bei Feuchtarbeit
– Stoffe/Gemische mit Aspirationsgefahr (H304)
– Hautschädigende Stoffe/Gemische (EUH066)
– Stoffe/Gemische mit spezifischer Zielorgan-Toxizität bei einmaliger Exposition, Kategorie 3: Atemwegsreizung (H335)
– Stoffe/Gemische mit spezifischer Zielorgan-Toxizität bei einmaliger Exposition, Kategorie 3: Schläfrigkeit, Benommenheit (H336)
– Auf sonstige Weise chronisch schädigende Stoffe (kein H-Satz, aber trotzdem Gefahrstoff!) – Chronisch gewässergefährdende Stoffe/Gemische, Kategorie 4 (H413)
– Stoffe/Gemische der Wasser­gefährdungs­klasse WGK 1
– Allgemein wasser-gefährdende Stoffe/ Gemische (awg)
Vernachlässigbar – Erfahrungsgemäß unbedenkliche Stoffe (z. B. Wasser, Zucker, Paraffin u. Ä.) – Nicht wassergefährdende Stoffe/Gemische (nwg)
 
1 Gefahr 4 Physikalisch-chemische Einwirkungen (Brand, Explosion2,3 Korrosion u. a.) Fett und kursiv dargestellte H-Sätze kommen mehrfach vor.4 5 Freisetzungs­verhalten 6 Verfahren
Sehr hoch – Instabile explosive Stoffe/Gemische (H200)
- Explosive Stoffe/Gemische/Erzeugnisse, Unterklassen 1.1 (H201), 1.2 (H202), 1.3 (H203), 1.4 (H204), 1.5 (H205) und 1.6 (ohne H-Satz)
– Entzündbare Gase, Kategorie 1A (H220), Kategorie 1B und Kategorie 2 (H221)
– Pyrophore Gase (H232)
– Chemisch instabile Gase, Kategorie A (H230) und B (H231)
– Entzündbare Flüssigkeiten, Kategorie 1 (H224)
– Selbstzersetzliche Stoffe/Gemische, Typen A (H240) und B (H241)
– Organische Peroxide, Typen A (H240) und B (H241)
– Pyrophore Flüssigkeiten oder Feststoffe, Kategorie 1 (H250)
– Stoffe/Gemische, die in Berührung mit Wasser entzündbare Gase entwickeln, Kategorie 1 (H260)
– Oxidierende Flüssigkeiten oder Feststoffe, Kategorie 1 (H271)
– Gase
– Flüssigkeiten mit einem Dampfdruck
> 250 hPa (mbar) (z. B. Dichlormethan)
– Staubende Feststoffe
– Aerosole
- Offene Verarbeitung
– Möglichkeit des direkten Hautkontaktes
– Großflächige Anwendung
– Verfahrensindex 4 nach TRGS 500 (offene Bauart bzw. teilweise offene Bauart, natürliche Lüftung)
Hoch – Aerosole, Kategorie 1 (H222 und H229)
– Entzündbare Flüssigkeiten, Kategorie 2 (H225)
– Entzündbare Feststoffe, Kategorie 1 (H228)
– Selbstzersetzliche Stoffe/Gemische, Typen C und D (H242)
– Organische Peroxide Typen C und D (H242)
– Selbsterhitzungsfähige Stoffe/Gemische Kategorie 1 (H251)
– Stoffe/Gemische, die in Berührung mit Wasser entzündbare Gase entwickeln, Kategorie 2 (H261)
– Oxidierende Gase, Kategorie 1 (H270)
– Oxidierende Flüssigkeiten oder Feststoffe, Kategorie 2 (H272)
– Desensibilisierte explosive Stoffe/Gemische, Kategorie 1 (H206) und Kategorie 2 (H207)
– Stoffe/Gemische mit bestimmten Eigenschaften (EUH014, EUH018, EUH019, EUH044)
– Flüssigkeiten mit einem Dampfdruck 50-250 hPa (mbar) (z. B. Methanol) – Verfahrensindex 2 nach TRGS 500 (teilweise offene Bauart, bestimmungsgemäßes Öffnen mit einfacher Absaugung, offen mit einfacher Absaugung)
Mittel – Aerosole, Kategorie 2 (H223 und H229)
– Entzündbare Flüssigkeiten, Kategorie 3 (H226)– Entzündbare Feststoffe, Kategorie 2 (H228)
– Selbstzersetzliche Stoffe/Gemische, Typen E und F (H242)
– Organische Peroxide, Typen E und F (H242)– Selbsterhitzungsfähige Stoffe/Gemische, Kategorie 2 (H252)
– Stoffe/Gemische, die in Berührung mit Wasser entzündbare Gase entwickeln, Kategorie 3 (H261)
– Oxidierende Flüssigkeiten oder Feststoffe, Kategorie 3 (H272)
– Gase unter Druck (H280, H281)
– Korrosiv gegenüber Metallen (H290)
– Desensibilisierte explosive Stoffe/Gemische, Kategorie 3 (H207) und Kategorie 4 (H208)
– Flüssigkeiten mit einem Dampfdruck 10–50 hPa (mbar), mit Ausnahme von Wasser (z. B. Toluol) – Geschlossene Verarbeitung mit Expositions­möglichkeiten z. B. beim Abfüllen, bei der Probenahme oder bei der Reinigung
– Verfahrensindex 1 nach TRGS 500 (geschlossene Bauart, Dichtheit nicht gewährleistet, teilweise offene Bauart mit wirksamer Absaugung)
Gering – Aerosole, Kategorie 3 (H229 ohne H222, H223)
– Schwer entzündbare Stoffe/Gemische (Flammpunkt
> 60 … 100 °C, kein H-Satz)
– Selbstzersetzliche Stoffe/Gemische, Typ G (kein H-Satz)
– Organische Peroxide, Typ G (kein H-Satz)
– Flüssigkeiten mit einem Dampfdruck
2–10 hPa (mbar) (z. B. Xylol)
– Verfahrensindex 0,5 nach TRGS 500 (geschlossene Bauart, Dichtheit gewährleistet, teilweise geschlossene Bauart mit integrierter Absaugung, teilweise offene Bauart mit hochwirksamer Absaugung)
Vernachlässigbar – Unbrennbare oder nur sehr schwer entzündliche Stoffe/Gemische (bei Flüssigkeiten Flammpunkt > 100 °C, kein H-Satz) – Flüssigkeiten mit Dampfdruck < 2 hPa (mbar) (z. B. Glykol)
– Nichtstaubende Feststoffe
– Verfahrensindex 0,25 nach TRGS 500

1 Die Wassergefährdungsklasse wird nur bei den Stoffen/Gemischen als Bewertungskriterium herangezogen, die (noch) nicht bezüglich der umweltgefährden Eigenschaften eingestuft sind.
2 Stoffe/Gemische können auch ohne entsprechende Einstufung explosive Eigenschaften im Sinne der Prüfungen gemäß Abschnitt 5.3 Absatz 8 Nummer 15 haben. Dies ist im Einzelfall zu berücksichtigen.
3 Explosionsfähige Stäube sind aufgrund ihrer spezifischen Problematik im Einzelfall fachkundig zu prüfen und daher keiner u.a. Gefährdungsstufe zugeordnet.
4 Bei den physikalisch-chemischen Gefährdungen ist zu berücksichtigen, das beim Wechsel in eine andere Gefahrenklasse eine andere Art der Gefährdung resultiert, die selbst bei Verringerung de Gefährdungsstufe nicht notwendigerweise zu einer Verringerung der Gefährdung im betrachteten Einzelfall führt. Ein Beispiel ist der Ersatz einer entzündbaren Flüssigkeit der Kategorie 2 durch einen selbstzersetzlichen Stoff vom Typ E, bei dem auch die Gefährdung durch die thermische Instabilität zu berücksichtigen ist.