Anhang 1

Methode zur „Risikobeurteilung von Arbeiten mit Absturzgefahr bei Verwendung von persönlichen Schutzausrüstungen gegen Absturz bzw. zum Retten aus Höhen und Tiefen

Vorbemerkung

Diese Methode wurde vom Sachgebiet „PSA gegen Absturz“ im Fachausschuss „Persönliche Schutzausrüstungen“ der Berufsgenossenschaftlichen Zentrale für Sicherheit und Gesundheit – BGZ erarbeitet. Zielrichtung ist es insbesondere, dem Unternehmer eine Praxishilfe zur Durchführung der Risikobeurteilung von Arbeiten mit Absturzgefahr unter Verwendung von persönlichen Schutzausrüstungen gegen Absturz bzw. zum Retten aus Höhen und Tiefen zu geben.

Mit dieser Methode zur Risikobeurteilung kann ein arbeitsplatzspezifisches Risiko beschrieben werden, um geeignete Maßnahmen ableiten zu können. Sie wird durch branchenübergreifende Beispiele illustriert (siehe www.hvbg.de/psa). Es wird jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es keine Standardlösungen gibt, sondern vielmehr jeder Einsatzfall individuell betrachtet und bewertet werden muss.

1. Grundlegende Ausführungen

„Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz bzw. zum Retten aus Höhen und Tiefen“ schützen gegen tödliche Gefahren! Somit bedeutet die nicht bestimmungsgemäße Verwendung ein hohes Risiko. Es wird daher bei allen Risikobeurteilungen im Sinne dieser Handlungsanleitung generell davon ausgegangen, dass der Unternehmer für die Verwendung der „PSA gegen Absturz“ geeignete Beschäftigte beauftragt hat und dass die persönlichen Schutzausrüstungen bestimmungsgemäß unter Berücksichtigung der anstehenden Arbeiten eingesetzt werden.

2. Arbeiten mit „Persönlichen Schutzausrüstungen gegen Absturz“ – Auffangsystemen

Auf Grund der hohen Risiken für Leib und Leben nach Stürzen bei Arbeiten in Verbindung mit der Verwendung von „Auffangsystemen“ sind diese grundsätzlich als „gefährliche Arbeiten“ im Sinne des § 8 der Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“ (BGV A1) einzustufen. Hieraus ergibt sich zwangsläufig, dass Alleinarbeit nicht zulässig ist und daher mindestens eine zweite Person anwesend sein muss; dies hat besondere Bedeutung für die unverzügliche Einleitung von Sofort- und Rettungsmaßnahmen.

3. Arbeiten mit „Persönlichen Schutzausrüstungen gegen Absturz“ – Rückhalte- oder Positionierungssystemen

Bei Arbeiten mit Absturzgefahren und Verwendung von Rückhalte- oder Positionierungssystemen kann alternativ vorgegangen werden. Entweder wird der ungünstigste Fall „Einstufung als gefährliche Arbeit im Sinne des § 8 der Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“ (BGV A1)“ angenommen oder es wird eine individuelle Risikobeurteilung durchgeführt, aus der sich die erforderlichen Maßnahmen ergeben.

Vom Sachgebiet „PSA gegen Absturz“ im Fachausschuss „Persönliche Schutzausrüstungen“ wurden daher auf der Grundlage der nachstehend beschriebenen Methode (Abschnitt 4 dieses Anhangs) Arbeiten mit Absturzgefahren dargestellt und beispielhafte Risikobeurteilungen (unter www.hvbg.de/psa) zugeordnet.

4. Durchführung von Risikobeurteilungen

4.1 Allgemeines

Im Rahmen der vom Unternehmer nach § 3 der Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“ (BGV A1) und § 5 Arbeitsschutzgesetz durchzuführenden „Gefährdungsermittlung und der Beurteilung der Arbeitsbedingungen“ ist eine Risikobeurteilung vorzunehmen, damit wirksame präventive Maßnahmen getroffen werden können.

Das nachfolgend beschriebene Verfahren stellt eine Möglichkeit zur Risikobeurteilung dar und ist angelehnt an die DIN EN ISO 1050 „Leitsätze zur Risikobeurteilung“.

Über die ermittelte Risikoprioritätszahl (RPZ) kann festgestellt werden, ob es sich um eine gefährliche Arbeit im Sinne des § 8 der Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“ (BGV A1) handelt.

4.2 Durchführung der Risikobeurteilung

Im nachfolgenden wird das Risiko durch die „Risikoprioritätszahl (RPZ)“ ausgedrückt. Diese ergibt sich aus dem Produkt „Verletzungsschwere/Handlungsfähigkeit“ multipliziert mit der „Wahrscheinlichkeit des Auftretens“.

Risikoprioritätszahl (RPZ) =
Verletzungsschwere/Handlungsfähigkeit (G) x Wahrscheinlichkeit des Auftretens (A)

Hinweis:Die „Verletzungsschwere/Handlungsfähigkeit“ ergibt sich aus Tabelle 1 und die „Wahrscheinlichkeit des Auftretens“ aus Tabelle 2 dieser Darstellung, wobei jeweils Zahlenwerte von 1 bis 10 möglich sind.
4.2.1 Grad der Verletzungsschwere/Handlungsfähigkeit (G)

Der Grad der Verletzungsschwere/Handlungsfähigkeit (G) ist entsprechend den Arbeitsverfahren so weit wie möglich objektiv festzulegen.

Die Bewertungsskala reicht hier von einer minimalen Verletzung oder uneingeschränkten Handlungsfähigkeit (G=1) bis hin zum Tod (G=10). Die Verwendung von zusätzlichen persönlichen Schutzausrüstungen kann die Folgen der Verletzung deutlich erhöhen, z.B. Atemschutz.

Verletzungsschwere
Handlungsfähigkeit
(G)
Verletzungsschwere
(mit PSA)
Handlungsfähigkeit
leicht
1
Minimalverletzung
Handlungsfähig

(kann sich selbst aus der Notsituation
befreien)
2
oberflächliche Verletzung
3
leichte Prellungen
mittel
4
schwere Prellungen (AU < 3 Tage)

eingeschränkt handlungsfähig

(kann eigenständig die Rettungskette
einleiten)
5
schwere Prellungen (AU > 3 Tage)
6
leichte Knochenbrüche
schwer
7
schwere Knochenbrüche

 

 

Handlungsunfähig

8
schwere Knochenbrüche mit inneren Verletzungen
9
schwere innere Verletzungen
10
Tod

Tabelle 1: Verletzungsschwere/Handlungsfähigkeit (Grad 1 bis 10)

Erläuterungen zu Tabelle 1:

4.2.2 Eintrittswahrscheinlichkeit des Unfalls

Die Ziffer zur „Wahrscheinlichkeit des Auftretens des Unfalls“ ist unter anderem von folgenden Einflüssen abhängig:

A
Stufe
Wahrscheinlichkeit des Auftretens des Unfalls
1

Gering

Äußerst unwahrscheinlich
2
 
3
 
4


Mittel

 
5
Wahrscheinlich
6
 
7


Hoch

 
8
 
9
Äußerst wahrscheinlich
10
Zwangsläufig, unabdingbar

Tabelle 2: Wahrscheinlichkeit des Auftretens (A); (3 Stufen, Ziffern 1 bis 10)

Hinweise zur Tabelle:
Die Ziffern zur „Wahrscheinlichkeit des Auftretens des Unfalls“ sind generell den 3 Stufen „Gering, Mittel, Hoch“ zugeordnet, wobei sich die Zwischenwerte insbesondere durch die oben genannten Faktoren ergeben. Die Ziffer 10 beschreibt ein unabwendbares Ereignis.

4.3 Bewertung des Risikos

Zur abschließenden Bewertung des Risikos werden die Ziffern zur Verletzungsschwere und Handlungsfähigkeit (G) und der Wahrscheinlichkeit des Auftretens (A) miteinander multipliziert und die Risikoprioritätszahl (RPZ) ermittelt.

RPZ = G x A

Die RPZ kann somit zwischen

RPZ = 1 x 1 = 1

und dem Maximalwert

RPZ = 10 x 10 = 100

liegen.

Die Risikobeurteilung und damit verbunden die ermittelte RPZ ist Grundlage für die jeweils zu treffende Maßnahme. Ist das vorhandene Risiko aus Sicht des Unternehmers akzeptabel – so liegt „ausreichende Sicherheit“ vor. Ist das Risiko nicht akzeptabel – so liegt „Gefährdung“ vor. Aus dieser Betrachtung ergibt sich die vom Unternehmen akzeptierte RPZ.

!   Sofern die „Schwere der Verletzung mit persönlichen Schutzausrüstungen“ einen Zustand der Handlungsunfähigkeit (Tabelle 1, ab Ziffer 7) ergeben sollte, so ist grundsätzlich eine gefährliche Arbeit im Sinne des § 8 der Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“ (BGV A1) anzunehmen.

Unter Beachtung des Standes der Technik ist eine möglichst niedrige RPZ anzustreben!

Hinweise zum „akzeptablen Risiko“ sind in der Internet-Beispielsammlung aufgeführt; siehe www.hvbg.de/psa