Gefährdungsbeurteilung Maschinen
Mit dem vorhandenen CE-Zeichen ist für viele Unternehmer und Unternehmerinnen das Thema Sicherheit der Maschine bereits erledigt. Mit dieser Einschätzung liegen sie allerdings falsch. Das Vorhandensein einer CE-Kennzeichnung entbindet nicht von der Pflicht zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung, heißt es in § 3 der Betriebssicherheitsverordnung.
Unternehmer und Unternehmerinnen müssen also auf jeden Fall vor der Verwendung einer neuen Maschine eine Gefährdungsbeurteilung durchführen und daraus notwendige und geeignete Schutzmaßnahmen ableiten. Die Beurteilung umfasst den Arbeitsplatz an der neuen Maschine (Arbeitsumgebung) und die Maschine selbst. Hierbei müssen sie auch prüfen, ob sie die Maschine in der angegebenen Verwendung einsetzen.
Nutzen Sie zur Gefährdungsbeurteilung die Handlungshilfen für kleine & mittlere Brauereien und Keltereien/Mostereien.
TIPP: Betriebe, die am BGN-Kompetenzzentrenmodell teilnehmen, können Unterstützung bei der Gefährdungsbeurteilung anfordern: bei dem für sie zuständigen Kompetenzzentrum.
Gefährdungsbeurteilung muss auch Instandhaltung berücksichtigen
Instandhaltungsarbeiten sind grundsätzlich als gefährliche Arbeiten einzustufen. Eine Auswertung aller tödlichen Arbeitsunfälle ergab: In der Instandhaltung geschehen 50 Prozent mehr Unfälle als in der Produktion. Um die Instandhaltung sicher zu machen, braucht es gut organisierte Arbeitsabläufe, qualifizierte Mitarbeitende und eine Betrachtung in der Gefährdungsbeurteilung.
Wechselnde Arbeitsplätze und Arbeitsaufgaben, vielfältige Risikofaktoren und unregelmäßig wiederkehrende Arbeiten: Instandhalter haben einen sehr komplexen Tätigkeitsbereich, in dem sie besonderen und sehr unterschiedlichen Gefährdungen ausgesetzt sind. Ursachen dieser Gefährdungen sind vor allem unzureichend geplante und schlecht organisierte Sicherheits- und Schutzmaßnahmen. Auch eine unzureichende Kommunikation und Koordination zwischen den Beteiligten kann zu Gefährdungen führen.
Tipps für eine sichere Instandhaltung
Sorgfältig auswählen: das Instandhaltungspersonal
Instandhalter sind erfahrene, qualifizierte und vom Arbeitgeber sorgfältig ausgewählte Fachkräfte. Sicherheit bei Instandhaltungsarbeiten beginnt also bereits mit der Auswahl des Instandhaltungspersonals. Neben der fachlichen Qualifikation muss geprüft werden, ob ein Instandhalter psychisch und physisch in der Lage ist, die Arbeiten sicher auszuführen.
Zwei Mitarbeiter dichteten in einer Baugrube mit einem Gasbrenner einen Außenwanddurchbruch für die Abwasserleitung ab. Als einer von ihnen gerufen wurde, arbeitete der andere alleine weiter.
Später fand ihn ein Kollege. Jener lag in der Baugrube und brannte an Beinen und Füßen.
Der Gasschlauch des Gasbrenners hatte sich um seine Beine gewickelt und die Flamme war auf Beine und Füße gerichtet. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass der Verletzte Epilepsie hat.

Reparaturen mit speziellem Werkzeug und Schutzanzug
© Oliver Rüther/BGN
Ohne sie gehts nicht: die Gefährdungsbeurteilung
Dreh- und Angelpunkt einer sicheren Instandhaltung ist die Gefährdungsbeurteilung vor Beginn einer Instandhaltungsmaßnahme. Hier hat sich eine systematische Vorgehensweise in mehreren Schritten bewährt:
1. Informationsbeschaffung
Die Gefährdungsbeurteilung beginnt mit der Beschaffung detaillierter Informationen über die ausgeübte Tätigkeit, den Zustand des Arbeitsplatzes sowie aller Arbeitsmittel. Informationsquellen sind:
vorliegende Dokumentationen und Herstellerunterlagen, z. B. Wartungs - oder Betriebsanleitungen,
Konstruktions- und Planungsunterlagen,
Kenntnisse über Arbeitsverfahren sowie eingesetzte Arbeitsmittel,
vergleichbare Gefährdungsbeurteilungen,
Kenntnisse der Umgebungs- und Betriebsbedingungen, z. B. Zugänglichkeit, Lüftungsverhältnisse, Lärm,
Erkenntnisse einer Begehung des Arbeitsplatzes,
vorhandene Schutzmaßnahmen, z. B. zum Gefahrstoffschutz einschließlich Brand- und Explosionsschutz.
Eine weitere sehr wichtige Informationsquelle sind Erfahrungen des Bedienpersonals und Erkenntnisse des Instandhaltungspersonals aus bereits durchgeführten Instandhaltungsarbeiten. Beide Gruppen sollten bei der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung mitwirken und ihre Erfahrungen und spezifischen Kenntnisse einbringen. Das gewährleistet am besten, ein lückenloses Bild der möglichen Gefährdungen zu erstellen. Hier aber gibt es immer wieder unentdeckte Defizite, wie der folgende Unfall zeigt.
Instandhalter J. zog sich eine schwere Quetschung der linken Hand zu, als er nach einer Instandsetzungsmaßnahme Einstellarbeiten an einer Abfüllanlage vornahm.
Dazu hatte er eine verriegelte Schutzeinrichtung (Seitenteil) abnehmen und das Sicherheitsbauteil überbrücken müssen. Nach kurzer Abstimmung mit seinem Kollegen B. von der Betriebsbereitschaft startete dieser die Anlage per Tippbetrieb.
Laut Gefährdungsbeurteilung war das die für diese Arbeit festgelegte Maßnahme. Im Tippbetrieb setzte sich aber auch ein seitlich angeordneter Hebel in Gang.
Er quetschte J.s linke Hand, mit der er sich am Maschinenrahmen abgestützt hatte.
Der Instandhalter kannte diese Hebel-Bewegung nicht, weil die Betrachtung dieser Quetschstelle bei der Gefährdungsbeurteilung versäumt worden war. Inzwischen wurde sie ergänzt.
Immer dann, wenn es neue Kenntnis über eine Gefährdung gibt, muss die bestehende Gefährdungsbeurteilung grundsätzlich angepasst und ergänzt werden.
2. Gefährdungsermittlung
Als Nächstes muss man überprüfen, ob durch die Instandhaltungsarbeiten die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten beeinträchtigt werden kann. Dazu müssen alle Gefährdungen ermittelt werden, die
bei einzelnen Arbeitsschritten, z. B.Schweißen, auftreten können,
aufgrund von Wechselwirkungen mit anderen Arbeitsmitteln, Arbeitsstoffen oder der Arbeitsumgebung, z. B. bei Arbeiten in Behältern, entstehen können sowie
an benachbarten Arbeitsplätzen, z. B. Funkenflug beim Trennen, möglich sind.
3. Gefährdungen bewerten
Im nächsten Schritt sind alle ermittelten Gefährdungen dahingehend zu bewerten, ob die Sicherheit und der Gesundheitsschutz der Instandhalter als auch der Beschäftigten an benachbarten Arbeitsplätzen gewährleistet sind.
Auch der nachfolgende Unfall zeigt, dass es bei der Gefährdungsermittlung und -bewertung immer wieder Lücken gibt, was sich auch auf die Festlegung der Schutzmaßnahmen auswirkt:
Ein Ventil in einer Rohrleitung an der Decke machte Probleme. Der Instandhalter sollte der Sache auf den Grund gehen und das Ventil gegebenenfalls instand setzen.
Für diesen Arbeitseinsatz nutzte er eine kleine fahrbare Scherenhubbühne. Nachdem er festgestellt hatte, dass etwas die Ventilstange blockierte, wollte er die Blockade mit einem Hammer lösen.
Beim Ausholen rutschte ihm der Hammer aus der Hand und im Nachfassen machte er einen Ausfallschritt. Dabei stieß er gegen demontierte Ventilteile, die er auf der Hubbühne abgelegt hatte.
Hammer samt Ventilteile fielen mehrere Meter in die Tiefe und verletzten einen Produktionsmitarbeiter an der Schulter.
Reparaturen mit speziellem Werkzeug und Schutzanzug
© Oliver Rüther/BGN
4. Schutzmaßnahmen festlegen
Auf Grundlage der Gefährdungsermittlung und -bewertung werden die notwendigen Schutzmaßnahmen nach der TOP-Regel (T = technisch, O = organisatorisch, P = personenbezogen) festgelegt. Bei dem geschilderten Fall hätte man den Gefährdungsbereich absperren müssen. Organisatorisch hätte man die Instandhaltungsarbeiten außerhalb der Produktionszeiten legen können.
Bevor es losgeht: Formalitäten und Verantwortlichkeiten klären
Im geschilderten Fall wäre auch zu klären gewesen, ob
eine Gefährdungsbeurteilung vorlag und der Instandhalter die Inhalte kannte und
der Arbeitgeber oder ein Vorgesetzter einen Arbeitsauftrag erteilt hatten.
Nur wenn beides vorliegt, darf mit den Arbeiten begonnen werden.
Der Arbeitsauftrag für Instandsetzungsmaßnahmen sollte schriftlich erfolgen. In besonderen Fällen ist sogar eine spezielle Form von Arbeitsauftrag notwendig, z. B. ein Freigabeschein.
Bei unterschiedlichen Zuständigkeiten für Betrieb und Instandhaltung, wie z. B. beim Einsatz von Fremdfirmen, sollten Arbeitgeber unmittelbar Verantwortlichebenennen:
einen Anlagenverantwortlichen für den Betrieb des Arbeitsmittels,
einen Arbeitsverantwortlichen für die Durchführung der Instandhaltungsarbeiten.
Unerlässlich: Information und Kooperation
Anlagenverantwortlicher und Arbeitsverantwortlicher müssen bei Instandhaltungsarbeiten eng zusammenarbeiten und sich gegenseitig ausreichend über die auszuführenden Arbeiten und zu treffenden Schutzmaßnahmen informieren. Im nachfolgenden Fall wurde das versäumt:
Im Lager eines Betriebes hatten Mitarbeiter einer Fremdfirma die Zwischendecke größtenteils entfernt. Verbleibende Deckenreste sollten betriebseigene Mitarbeiter demontieren.
Sie legten Bohlen auf noch vorhandene Bauteile auf. Diese aber hatten die Fremdfirmenmitarbeiter im Zuge ihrer Arbeiten nur an die Querbinder genagelt.
Als ein Mitarbeiter die Bohlen betrat, löste sich die komplette Konstruktion. Er fiel aus großer Höhe auf den Hallenboden und verletzte sich schwer.
Anlagen- und Arbeitsverantwortliche müssen beide zusammen auch dafür sorgen, dass alle in der Gefährdungsbeurteilung festgelegten Sicherheitsmaßnahmen an der Arbeitsstelle umgesetzt werden. Und sie müssen die korrekte Umsetzung der Maßnahmen vor der Aufnahme der Arbeiten überprüfen. Bei mangelhafter Umsetzung darf mit den Arbeiten nicht begonnen werden
Die Instandhalter müssen im Blick haben, ob während der Arbeiten eventuell neue Gefährdungen auftreten. Sind hierfür nicht ausreichende oder keine Sicherheitsmaßnahmen vorhanden, müssen sie die Arbeiten umgehend sicher abbrechen.
In beiden Fällen muss unverzüglich der Vorgesetzte informiert werden. Erst nach einer eingehenden Beurteilung der neuen Situation, gegebenenfalls mit neuen, notwendigen Maßnahmen, dürfen die Arbeiten wieder aufgenommen werden. Die Gefährdungsbeurteilung ist dementsprechend zu ergänzen.
Nicht vergessen: Mögliche Gefährdungen bei der Erprobung
Nach Abschluss der Instandsetzungsarbeiten ist in der Regel eine Erprobung erforderlich. Dazu gehören z. B. Funktionsprüfungen oder auch Testläufe, um sicherheitstechnisch relevante Betriebsdaten zu überprüfen, oder auch Einstellungsarbeiten.
Vor der Erprobung müssen alle Beschäftigten über die damit verbundenen Gefahren informiert, als auch über die erforderlichen Schutzmaßnahmen unterwiesen werden. Nicht unmittelbar an der Erprobung beteiligte Personen müssen fernbleiben. Auch das ist in der Gefährdungsbeurteilung festzuhalten. Auch der Zeitraum der Erprobung – also nach Abschluss der Instandhaltungsarbeiten bis zur Wiederaufnahme des regulären Betriebs – muss berücksichtigt werden. Ein Beispiel, wo das versäumt wurde:
Störung an einem Becherstapler: Der herbeigerufene Instandhalter legte die Maschine still, sicherte sie gegen Wiedereinschalten, demontierte eine Schutzabdeckung und beseitigte den Fehler. Dann ging er zum Steuerpult und startete zum Test die Maschine.
Er war noch auf dem Rückweg, als die Störung erneut auftrat. Der Mitarbeiter, der ihm bei der Instandhaltung über die Schulter geschaut hatte, wollte die Störung selbst beheben und beugte sich kurzerhand in die nun laufende Maschine.
Ein bewegtes Bauteil klemmte seinen Kopf ein.