In BGN-Mitgliedsbetrieben ereigneten sich mehrere tödliche Arbeitsunfälle in und an Palettierern. Expertinnen und Experten der BGN untersuchten die Unfälle und stellten bei den Unfallursachen eine Gemeinsamkeit fest: Das Schutzkonzept für die Palettierer war unzureichend. Die Lücken im Schutzsystem sind jedoch dabei ganz unterschiedlich. Welche Schwachstellen unsere Aufsichtspersonen immer wieder in Betrieben vorfinden:
Das Palettieren von Produkten gehört in nahezu jedem Produktionsbetrieb zu den notwendigen Prozessschritten. In den meisten Betrieben läuft dieser Schritt automatisiert ab. Eine Entwicklung, die bereits in den 1960er Jahren begann. So sind in den Mitgliedsbetrieben der BGN heute Palettierer unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Bauart in Betrieb. Folglich sind die Schutzkonzepte zur Absicherung der Gefahrbereiche unterschiedlich und leider oft nicht ausreichend.
Nicht allen betrieblichen Akteurinnen und Akteuren ist bewusst, dass bei ihrer Anlage unter Umständen Handlungsbedarf besteht, das Schutzsystem auf Schwachstellen zu überprüfen. Gewissheit bringt eine systematische Betrachtung des Arbeitssystems Palettierer. Werden Lücken im System festgestellt, müssen sie umgehend beseitigt werden.
Tödliche Unfälle an Palettierern
Unfall 1: Einstieg durch Lücke im Zaun
Der Beschäftigte gelangte durch eine Lücke unter dem Förderer in den Gefahrbereich des Palettierers. Es wird vermutet, dass er am Pappenstapel für die Zwischenlagen eine Störung beseitigen wollte. Dabei ist er vom Kartongreifer des Roboters auf den Pappenstapel gedrückt worden. Er wurde schwer am Kopf verletzt und blieb bewusstlos liegen. Erst bei der nächsten Störung im Palettierer fand ihn ein Kollege. Der Mann war tot.
Unfall 2: Parken im Muting
Um eine Störung in der Palettieranlage zu beseitigen, stieg der Beschäftigte über den Vollpalettenauslauf in die Maschine ein. Die Sicherheitslichtschranken waren zu diesem Zeitpunkt in der Überbrückungsphase (Muting).
Hinzu kam, dass der Abstand zwischen der Sicherheitslichtschranke und der Vollgutpalette zu groß war. Als der Mann die Störung beseitigen wollte, belegte er mit den Füßen die Funktionslichtschranken. Daraufhin fuhr der Lagentisch nach unten und quetschte den Mann zu Tode.
Unfall 3: Manipulierter Sicherheitsschalter
An einem Lagenpalettierer war eine Störung aufgetreten. Eine Palette war nicht richtig positioniert. Deshalb begab sich ein Beschäftigter bei vermeintlich stehender Anlage in den Schutzbereich des Palettierers, wo er die Palette von Hand ausrichtete. Der Sicherheitsschalter der Zugangstür war zu diesem Zeitpunkt manipuliert.
Als die Störung behoben war, fuhr der Lagenpalettierer, der über der verklemmten Palette zum Stillstand gekommen war, plötzlich herab. Der Beschäftigte wurde vom herabfahrenden Palettierer zu Boden gedrückt. Dabei erfasste er den Kopf des Mannes und klemmte ihn ein. In dieser Position hob der Palettierer den Mann hoch und fuhr in die Ausgangsstellung der Vorpalettierung zurück. An dieser Stelle fanden ihn seine Kollegen tot auf.
Störungsbeseitigung ist Anlass
Bei den drei tödlichen Unfällen und auch bei der Untersuchung weiterer Unfälle in und an Palettierern hat sich gezeigt: Es gab jeweils einen konkreten Anlass, den Gefahrbereich des Palettierers zu betreten. In der Regel geht es darum, eine Störung zu beseitigen, und zwar
beim Einlauf der Einzelpackungen,
bei der Bildung der Lagen,
bei der Übergabe der Einzellagen auf die Palette
sowiebeim Transport von Paletten im Palettierer.
Ein weiterer Anlass, regelmäßig den Gefahrbereich des Palettierers zu betreten, ist die Kennzeichnung und Dekoration der Palette. Das gilt immer dann, wenn Kundinnen und Kunden Sonderanforderungen stellen.
Checkliste „Sicherheit von Palettieranlagen"
Diese Checkliste kann helfen, Unfälle an Palettierern zu verhindern, Schawachstellen in Schutzkonzepten zu identifizieren und zu schließen. Wenn „Nein" angekreuzt wurde, besteht Handlungsbedarf.
Ja | Nein | |
---|---|---|
Alle schlitzförmigen Öffnungen (Lücken) in feststehenden trennenden Schutzeinrichtungen, z. B. Zäunen, sind maximal 180 mm groß.* | ||
Der seitliche Abstand zwischen Sicherheitslichtschranke und Palettenkontur beträgt maximal 230 mm.* | ||
Die Palette wartet nicht in der Sicherheitslichtschranke. | ||
Die Trennung der Sicherheitskreise ist in beide Richtungen ausgeführt. | ||
Positionsschalter oder Sensoren werden in regelmäßigen Abständen auf einwandfreien äußeren Zustand und einwandfreie Funktion überprüft. |
* Anforderungen an andere Öffnungen können der „EN 415-10 Sicherheit von Verpackungsmaschinen — Allgemeine Anforderungen“ entnommen werden.
Außerdem bietet die DGUV eine umfangreiche Checkliste, „Zugang zu Schutzbereichen von Palettierern", an.
Häufige Unterbrechungen des normalen Ablaufes führen zur Verminderung der Leistung der gesamten Verpackungslinie. Eine Situation, die die Beschäftigten als echten oder vermeintlichen Stress erleben. Und dann besteht die Gefahr, dass Schutzmaßnahmen umgangen oder manipuliert werden. Schwachstellen im Schutzkonzept werden genutzt, um die Schutzmaßnahmen und Schutzeinrichtungen zu überwinden.
Schwachstellen im Schutzsystem
Typische Schwachstellen im Schutzsystem (siehe auch Checkliste oben) sind:
Lücke im Zaun: Es gibt eine Lücke im Zaun, die größer als 180 mm ist: z. B. zwischen Zaun und einem Pfeiler, zwischen Zaun und der Lichtschranke, unter Förderern. Der Zugang einer Person zum Gefahrbereich ist sicher verhindert, wenn der 180-Millimeter-Abstand an keiner Stelle überschritten wird.
Mehr Abstand als eine Handspanne: Der Abstand zwischen der Sicherheitslichtschranke und dem Fördergut ist größer als 230 mm. In diesem Fall ist genug Platz, dass eine Person die Palette begleiten und unerkannt in den Gefahrbereich gelangen kann. Das ist verhindert, wenn der Abstand von 230 mm zwischen Lichtschranke und Palette nicht überschritten wird. Die Palette übernimmt während des Hindurchfahrens durch die Sicherheitslichtschranke die Schutzfunktion. Der 230-Millimeter-Abstand entspricht ungefähr der Länge einer Handspanne.
Parken im Muting: Das Fördergut steht im Bereich der überbrückten Sicherheitslichtschranke (Muting) und wartet auf den nächsten Prozessschritt. Der Zugang zum Gefahrbereich ist durch die stehende Palette allein nicht sicher verhindert.
Unsichere Schnittstelle: Sicherheitslichtschranken an der Grenze zu anderen Maschinen mit Schutzbereichen wirken nicht auf beide Schutzbereiche. Dadurch wird das Betreten des Palettierers über den Schutzbereich einer anderen Maschine z. B. eines Folienwicklers möglich.
Positionsschalter unwirksam gemacht: Häufige Störungen in der Palettieranlage ziehen ein häufiges Betreten des Schutzbereichs nach sich. Vor allem bei älteren Anlagen führt das zu umfangreichen Folgearbeiten wie händischem Abräumen von Lagen oder Ähnlichem. Um solch (zeit)aufwändige Folgearbeiten zu vermeiden, werden die Positionsschalter oder Sensoren an den Türen häufig überbrückt, demontiert oder auf andere Art unwirksam gemacht.
von Karin Carl-Mattarocci und Markus Husemann