Ein „Stehberuf“ im Sinne der Arbeit in einer Körperzwangshaltung liegt dann vor, wenn die Tätigkeit ein nahezu unbewegliches Stehen über eine Dauer von mindestens 4 Stunden vorgibt. Ab einer Dauer von 2,5 Stunden ist ein eventuell erhöhtes Risiko abzuklären.
Gesonderte Bedingungen gelten für Schwangere; darauf wird unter „Rechtliche Aspekte“ eingegangen.
Eine exakte Definition des Begriffes „Stehberuf“ („Steharbeit“) gibt es nicht. In der Veröffentlichung „Bewegungsergonomische Gestaltung von andauernder Steharbeit“ des Länderausschusses für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LV50) wird folgende Begriffsdefinition mit Bezug zu der dort publizierten Handlungsanleitung verwendet:
„‘Andauernde Steharbeit‘ im Sinne dieser Handlungsanleitung ist Arbeit in der Körperhaltung Stehen, die ohne die Möglichkeit, sich wenige 20 cm zur Seite, nach vorn, nach hinten zu bewegen oder ohne zeitweilige Entlastung durch Gehen oder Sitzen zur Zwangshaltung wird. Wie bei allen statischen Haltungen ist die „Dauer ohne Entlastung“ das Kriterium für Beschwerden bzw. gesundheitliche Auswirkungen [...]. Stehen mit der Möglichkeit sich frei zu bewegen, fällt nicht unter andauernde Steharbeit.“
Dabei verweist die Literaturstelle auf die Berufsgenossenschaftliche Information 504-46 „Belastung des Muskel-Skelett-Systems“, die zwischenzeitlich durch die DGUV-Information 240-460 mit gleichem Titel und nun durch die Arbeitsmedizinische Regel 13.2 abgelöst wurde. In der AMR 13.22 finden sich Tätigkeiten in stehender Körperhaltung unter dem Oberbegriff der Körperzwangshaltungen:
„Zu den erzwungenen Körperhaltungen zählen vor allem das Knien und vergleichbare Haltungen wie Fersensitz, Hocken oder Kriechen sowie langandauerndes Kopf- oder Rumpfbeugen oder -drehen und Arbeiten mit den Händen über Schulterniveau oder über dem Kopf. In besonderen Fällen können auch Tätigkeiten im Sitzen oder Stehen erzwungene Körperhaltungen sein, wenn das Sitzen in einer vorgegebenen dauerhaft fixierten Körperhaltung erfolgt (zum Beispiel bestimmte Mikroskopier-Arbeitsplätze, enge Kranführerkabinen) oder die Arbeit im dauerhaften Stehen ohne wirksame Bewegungsmöglichkeiten erfolgt.“
Explizite Beispiele werden in der AMR 13.2 nicht genannt. Ebenso findet sich ebenda keine Aussage zur Dauer des ununterbrochenen Stehens.
Zur Dauer werden allerdings in der Handlungsanleitung der LV50 drei Angaben unterschieden:
2,5 … 4 Stunden Das bestehende Risiko ist mit weiteren Maßnahmen abzuklären
4 … 5,5 Stunden Risikobereich 3, Gestaltungsmaßnahmen sind erforderlich
mehr als 5 Stunden Risikobereich 4, Gestaltungsmaßnahmen sind zwingend erforderlich
Dabei wird die Tätigkeit durch folgende zwei Eigenschaften charakterisiert:
„Die Arbeitsaufgabe, die Sehaufgabe oder Bedienelemente am Arbeitsplatz geben eine ‚starre‘ Stehhaltung vor“ oder
„Nahezu unbewegliches Stehen ohne zeitweilige Unterbrechung durch Arbeiten im Gehen oder Sitzen...“
Mögliche gesundheitliche Beeinträchtigungen
Langes Stehen ist für das Herz-Kreislauf-System eine beanspruchende Körperhaltung [10]. Im Stehen kommt es zu einer Verschiebung von Blut und Gewebeflüssigkeit in die Gefäße und Gewebe der unteren Extremität. Diese normalerweise unbemerkt ablaufenden Volumenverschiebungen führen zu Erhöhung der Gefäßwand- und Gewebespannung. Es kann aber auch zu Symptomen wie starkem Herzklopfen, Blutdruckschwankungen und Schwindelgefühl bis hin zur Ohnmacht führen (sogenannte Orthostase).
Die Blutzirkulation in den Beinen und besonders in den Beinvenen wird durch die Aktivität der Beinmuskulatur beim Gehen und Bewegen unterstützt (sogenannte „Muskelpumpe“). Bei langem Stehen kommt die Muskelpumpe nicht mehr ausreichend zum Einsatz [2]. Dadurch wird der venöse Rückfluss des Blutes aus den Beinen zum Herz beeinträchtigt. Die Ansammlung des vermehrten Blutvolumens führt zur Einlagerung von Gewebsflüssigkeit und damit zur Schwellung von Beinen und Füßen [11], verbunden mit einem Gefühl der Schwere in den Beinen, Kribbeln, Juckreiz, Unruhegefühl bis hin zu nächtlichen Krämpfen.
Durch die mit häufiger Stehhaltung verbundene Erhöhung des hydrostatischen Druckes in den Beinvenen werden die Venenwände allmählich überdehnt. Es kommt zu einer Erweiterung des Venenquerschnitts, einem teilweisen Funktionsverlust der Venenklappen sowie zu Umbauprozessen an den Gefäßwänden. Betroffen sind vor allem die dünnen Wände der oberflächlichen Beinvenen, und es bilden sich Krampfadern. Als Komplikation besteht die Gefahr von Thrombosen, Venenentzündungen, trockener, juckender Haut oder schlecht heilenden Geschwüren („offenes Bein“). Obwohl die Neigung zu Krampfadern genetisch mitbedingt ist, kommen Venenleiden bei Menschen mit andauernder Stehbelastung bedeutend häufiger vor.
Langes Stillstehen am Arbeitsplatz kommt außerdem einem Bewegungs- und damit Trainingsmangel gleich, der sich natürlich auch negativ auf die Belastbarkeit des Herz-Kreislauf-Systems auswirkt. Die Gefährdung ist hier jedoch deutlich geringer als für die Venen, da der Kreislauf, insbesondere das Herz, schon mit einigen Minuten alltäglicher Belastung wie Gehen oder Treppensteigen fit gehalten werden kann. Allerdings wurde nachgewiesen, dass langanhaltendes Stehen das Risiko für das Fortschreiten einer Arteriosklerose erhöht [12].
Langes Stehen ist eine einseitige Belastung für das Muskel- und Skelettsystem, das über längere Zeit die Balancearbeit für eine aufrechte Körperhaltung zu leisten hat. Dabei werden Muskeln und Gelenke nur einseitig und überwiegend statisch belastet [1]. Bereiche, die bei einem ausgewogenen Belastungswechsel mit beansprucht würden, werden nicht mehr gefordert, nicht mehr ausreichend durchblutet bzw. nicht mehr ausreichend ernährt. Letzteres trifft vor allem auf Knorpelstrukturen zu, deren Ernährung maßgeblich durch einen Wechsel von Be- und Entlastung geprägt ist. Kurzfristig führt dies zu Muskelschmerzen, Gelenkschmerzen und Rückenschmerzen. Auch der so genannte Spannungsschmerz, der aus dem Nacken in den Kopf ausstrahlt, kann auftreten. Diese Schmerzen sind mit vermindertem Stoffwechsel in der Muskulatur erklärbar. Bei Bewegungsmangel vermindert sich die Blutzirkulation, die Sauerstoffversorgung und der Abtransport von Endprodukten des Stoffwechsels. Der in den Gelenken fehlende Belastungswechsel führt dort zu einer Mangelversorgung der knorpligen und anderen passiven Strukturen, was eine Arthrose befördern kann.
Bei langanhaltendem Stehen verharren die Muskeln in immer gleicher Länge, was zu Ermüdungserscheinungen führt. Dadurch kommt es zu einem Nachlassen ihrer Haltefunktion. Wirkt man der einseitigen Belastung und Haltungsschwäche durch Ermüdung nicht entgegen, können langfristig Bewegungseinschränkungen auftreten; man fühlt sich steif. Schmerzhafte Fehlhaltungen (häufig mit Ausbildung eines „Hohlkreuzes“) können die Folge sein. Gewisse Formabweichungen der Wirbelsäule, die bei vielen Menschen latent vorhanden sind, können verstärkt und verschlimmert werden, was häufig in Rückenschmerzen, teilweise sogar in Bandscheibenschäden resultieren und damit die Lebensqualität deutlich beeinträchtigen kann.
Unsere Füße sind ein sehr komplexes Gebilde aus Knochen, Bändern, Sehnen, Muskeln und Gelenken. Die Wölbung des Fußes wird durch Quer- und Längsvernetzung dieser Strukturen erreicht. Sie müssen das gesamte Körpergewicht tragen. Das Fußgewölbe muss daher aktiv durch Muskelspannung aufrechterhalten werden. Wenn man fast den ganzen Tag nur still steht, wird dies schwierig [13]. Bei normaler Belastung wie beispielsweise beim Gehen wird durch den steten Belastungswechsel Ermüdungserscheinungen entgegengewirkt.
Durch langes Stehen allerdings kommt es zu einer statischen Überlastung und damit Ermüdung der Fußmuskulatur. Gleichzeitig werden auch die Gelenke durch den fehlenden Belastungswechsel unterversorgt, wie unter b) beschrieben. Die nachlassende Haltefunktion der Muskulatur und die damit einhergehende allmähliche Überdehnung der Bänder der Fußgelenke führen zu einer Abflachung des Fußgewölbes. Auf Dauer kommt es zu Fußfehlstellungen wie Senk-, Spreiz- oder Plattfuß. Diese führen in der Regel auch in darüber liegenden Gelenken (Knie, Hüfte unterer Rücken) zu Beschwerden. Harter Untergrund und besonders schlecht passendes Schuhwerk können die Bildung von Druckstellen an den Füßen und Fehlstellungen der Zehengelenke befördern. Auch Übergewicht spielt hier als Ursache eine Rolle.
Hinweise zur Prävention
Generell ist darauf zu achten, dass der Steharbeitsplatz grundlegend ergonomisch optimiert ist. So sollen Arbeitsflächen auf die individuell optimale Höhe eingestellt sein, Reichweiten für die Arme passen und die Beine genug Bewegungsfreiheit haben. Genauere Angaben hierzu finden sich kompakt in Lange, Windel et. al.: „Kleine ergonomische Formelsammlung“; Hrsg. BAuA (ISBN 978-3-7406-0132-4).
Zur Gefährdungsbeurteilung an Steharbeitsplätzen stellt die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA) die Erweiterte Leitmerkmalmethode zur Beurteilung und Gestaltung von Belastungen bei Körperzwangshaltungen (LMM-KH) bereit:
Insbesondere wenig Abwechslung, teilweise ungünstige Ausführungsbedingungen (beispielsweise Umgebungslärm, Blendung, klimatische Einflüsse) und gelegentliche ungünstige Körperhaltungen (zum Beispiel leichte Vorneige des Rumpfes) führen dazu, dass die ganztägige Belastung durch Stehen einen wesentlich erhöhten Belastungsbereich erreicht. Dann sind Maßnahmen zur besseren Gestaltung des Arbeitsplatzes angeraten. Wenn Maßnahmen durch den Arbeitgeber umgesetzt werden, sollten die Mitarbeiter einbezogen und entsprechend geschult werden.
Durch die AMR 13.2 „Tätigkeiten mit wesentlich erhöhten körperlichen Belastungen mit Gesundheitsgefährdungen für das Muskel-Skelett-System“ wird geregelt, dass der Arbeitgeber für alle Arbeitsplätze mit erhöhten körperlichen Belastungen vor Aufnahme der Tätigkeit und dann in regelmäßigen Abständen eine arbeitsmedizinische Vorsorge anbieten muss. Das wird in dieser arbeitsmedizinischen Regel auch bei Tätigkeiten empfohlen, die durch dauerhaftes Stehen ohne wirksame Bewegungsmöglichkeiten gekennzeichnet sind. Eine Grundlage für eine solche Vorsorge ist neben der Kenntnis der genauen Gegebenheiten der Tätigkeit auch eine korrekte und vollständige Gefährdungsbeurteilung. Darauf basierend wird unter Einbeziehung erhobener anamnestischer Daten durch den Betriebsarzt die Umsetzung auftretender Belastungen in Beanspruchungen eingeschätzt. Wichtig dabei ist die Betrachtung des Organismus als Einheit und die Berücksichtigung der Wechselwirkung verschiedener Beanspruchungen auch unterschiedlicher Organsysteme. Falls erforderlich wird die Beratung durch eine zweckbezogene Untersuchung ergänzt, deren Voraussetzung ein Einverständnis des Versicherten ist. Im Ergebnis ist bei festgestellten Gefährdungen neben dem Versicherten auch das Unternehmen zu möglichen Präventionsmaßnahmen zu beraten, wobei die Vorgaben der ärztlichen Schweigepflicht zu beachten sind.
Arbeitnehmer können selbst durch kleine Maßnahmen bzw. kleine Anpassungen von Gewohnheiten ihren Organismus auf belastende Situationen vorbereiten und damit widerstandsfähiger machen. Beispielsweise kann beim Wechsel von Stockwerken auf den Fahrstuhl verzichtet und stattdessen die Treppe genommen werden. Lassen es die Bedingungen zu, bietet sich für den Weg zur Arbeit oder aber auch zum Einkauf das Fahrrad statt des Autos an. Werden Wege mit Bus oder Straßenbahn zurückgelegt, so kann überlegt werden, ab und an eine Station vor dem Ziel auszusteigen und den Rest des Weges zu Fuß zu bewältigen. Es lohnt sich, im Alltag nach Möglichkeiten für mehr Bewegung zu suchen.
Schon mit geringer körperlicher Belastung wie Gehen oder Treppensteigen wird die Kreislauffunktion, konkret die Pumpleistung des Herzens, angeregt. Somit sind kleine, aktive Unterbrechungen langer Steh-Phasen empfehlenswert. Pausen sollten in Stehberufen nicht passiv gestaltet sein. Kurze Geh-Phasen sind sehr empfehlenswert.
Größere Effekte für die Prävention der Herzfunktion kann man in der Freizeit mit Ausdauersport erreichen. Spazierengehen, Laufen, Radfahren, Schwimmen und ähnliches sind Aktivitäten, mit denen man den Kreislauf anregen und trainieren kann. Zusätzlich kann man die Natur genießen und sich mit Gleichgesinnten treffen. Falls Sie keine Erfahrung mit Ausdauersport haben, lassen Sie sich von Ihrem Hausarzt vorher beraten.
Veneninsuffizienz ist meist genetisch bedingt. Langes Stehen ist aber auch ein Risikofaktor für die Entwicklung einer chronischen Veneninsuffizienz. Um dies zu verhindern oder hinauszuzögern, ist es notwendig, den bedingt durch das Stehen dauerhaft erhöhten Gefäßinnendruck zu reduzieren. Dabei können einfache Maßnahmen helfen wie:
langes Stehen vermeiden,
regelmäßiger Wechsel zu Arbeitsplätzen mit höherem Bewegungsanteil der Beine (Job-Rotation),
Geh- oder Sitzpausen [7, 8] zwischen langen Phasen des Stehens einlegen,
Beine in Pausen hochlegen.
Eine häufigere Bewegung der Unterschenkel kann die Venenfunktion unterstützen. Während der Arbeit kann man Ausgleichübungen wie die Fersen-Ballen-Wippe durchführen.
Generell ist in der Freizeit Bewegung empfehlenswert, da dadurch ebenfalls die Venenfunktion unterstützt wird. Bei einer bekannten Veneninsuffizienz sind jedoch starke Kontraktionen des Oberkörpers (beispielsweise im Kraftdreikampf oder beim Gewichtheben) nicht empfehlenswert. Ganz allgemein sind vor allem zyklische Bewegungen ratsam. Schon ein Spaziergang regt die muskuläre Venenpumpe an.
Kann man lange Phasen des Stehens nicht reduzieren, ist es empfehlenswert, Venen-Stützstrümpfe [9] zu tragen. Diese Strümpfe erhöhen den äußeren Druck auf die Beine. Die Venen werden dadurch leicht komprimiert, so dass der Gefäßquerschnitt kleiner wird und somit die Venenklappen besser schließen können. Bei Diagnose einer chronischen Venen-Insuffizienz können die Venen-Stützstrümpfe vom Hausarzt verschrieben werden. Es existieren unterschiedliche Qualitäten am Markt.
Bei fortschreitender Krankheit mit deutlicher Schädigung der Haut wird nur eine Operation zur Linderung führen. Es ist empfehlenswert sich bereits vor schweren Stadien chronischer Veneninsuffizienz vom Hausarzt und Facharzt beraten zu lassen. Bei den Operationen werden die defekten Venen entfernt (Stripping) oder verödet. Nach der Behandlung bilden sich in der Regel neue Gefäße.
Bei Gelenk- und Rückenschmerzen ist Monotonie, also das Stehen in immer gleicher Haltung, ein großes Problem. Menschen sind als biologische Wesen auf Dauer nicht dafür geeignet, immer nur dasselbe zu tun. Somit ist Abwechslung und Bewegungsvielfalt der Schlüssel, um Gelenk- und Rückenschmerzen zu vermeiden oder zu verringern. Grundlegend sollte auf ein möglichst dynamisches Stehen [3] geachtet werden.
Die einfachste Möglichkeit, das dauerhaft monotone Stehen bei der Arbeit zu verändern oder gar aufzuheben, sind organisatorische Maßnahmen wie die Job-Rotation. Kleine Abwechslungen haben oft eine große Wirkung. Direkt im Arbeitsprozess können Stehhilfen [4, 15] angeboten werden. Speziell bei der Vermeidung von Rückenschmerzen kann eine Fußstütze helfen. Ein abwechselndes Hochstellen eines Fußes [Tresen-Stand] hilft dabei, die sich bei langem Stehen oft ausbildende Hyperlordose (Hohlkreuz) wieder aufzubiegen und die Lendenwirbelsäule näher an ihre natürliche Form zu bringen. So kann die monotone Haltung verändert werden, was oft schon zu Komfortgewinn führt.
Während der Arbeit sind Ausgleichübungen (so genannte Eine-Minute-Übungen) empfehlenswert. Es soll bei der Arbeit kein Sport getrieben werden. Vielmehr sollen beanspruchte Körperregionen in kurzer Zeit gedehnt und erholt werden. Speziell für den Rücken gibt es Entlastungshaltungen mit oder auch ohne Hilfsmittel. Der Nacken kann mit Dehnübungen entspannt werden und das Dehnen der hinteren Oberschenkel verringert Verspannungen in Beinen und unterem Rücken.
Eine passive Pausengestaltung ist nicht empfehlenswert. Besser ist es, Gänge zu erledigen oder kleine Übungsprogramme zu absolvieren. Diese Programme müssen nicht umfangreich gestaltet sein. Ein bis zwei Übungen können ohne Gerät in wenigen Minuten ausgeführt werden.
In der Freizeit kann man mit Ausgleichsport den größten Effekt gegen Gelenk- oder Rückenbeschwerden erzielen. Bei akuten Rückenbeschwerden ist ein gezieltes Training der Rumpfmuskulatur, bei bestehenden Beschwerden gegebenenfalls nach Physiotherapie, empfehlenswert. Präventiv wirkt ebenfalls ein die Rumpfmuskulatur stärkendes Training wie es zum Beispiel durch Fitnessstudios angeboten wird. Dabei ist darauf zu achten, dass tatsächlich die gesamte Rumpfmuskulatur trainiert wird, da sonst Dysbalancen entstehen, in deren Folge die Beschwerden befördert werden. Generell gilt aber, dass die Bewegung Freude bereiten sollte. Bei der Auswahl der Freizeitsportart gibt es keine Vorzüge.
Ganz allgemein wirkt auch in den Beinen und Füßen Bewegung der Ausbildung länger anhaltender Beschwerden entgegen. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass jemand, der den ganzen Tag im Stehen verbracht hat, froh ist, wenn er am Abend „einfach mal die Füße hochlegen“ kann. Diese Erholungspause ist zur Rückbildung direkt aus dem Arbeitstag entstandener Missempfindungen sehr nützlich. Sie sollte jedoch nicht die einzige Maßnahme sein, sondern von gezielter Bewegung gefolgt sein. Dabei ist die Art der Bewegung von untergeordneter Bedeutung. Sowohl ein kurzer Spaziergang in der Abendsonne als auch ein kleines Heimübungsprogramm bei Regenwetter tun ihren Zweck. Dieser besteht im Wesentlichen darin, die Durchblutung der unterversorgten Beine und Füße wieder anzuregen und dadurch den folgenden Tag besser vorzubereiten. Sportliche Höchstleistungen sind weder erforderlich noch nützlich!
Das Vermeiden von Beschwerden der Füße und Beine durch gezielte Maßnahmen an Steharbeitsplätzen ist am wenigsten wissenschaftlich gesichert. Die hier aufgeführten ergonomischen Tipps führen zu Komfortgewinn, der bei unterschiedlichen Personen unterschiedlich stark oder auch gar nicht eintreten kann. Hinzu kommt, dass bei längerer Anwendung dieser Maßnahmen Gewöhnungseffekte eintreten und der Komfortgewinn verloren geht. Somit sind im folgenden genannte Maßnahmen als Empfehlung zu verstehen, welche möglichst nur als Angebot bereitgestellt werden sollten. Dies ermöglicht einen Wechsel zwischen verschiedenen Belastungssituationen, z. B. mit Komforthilfe und ohne.
Bei gehäuft auftretenden schweren, müden Beinen und Beschwerden der Fuß-, Knie- und Hüftgelenke sind Weichbodenmatten empfehlenswert. Böden im industriellen Umfeld bestehen meist aus Beton, sind sehr hart und haben so gut wie keine Dämpfeigenschaften. Weiche Matten können harte Stöße durch den Fußaufsatz dämpfen. Gleichzeitig gibt es Hinweise darauf, dass durch eine minimale Destabilisierung des Untergrunds kleine Muskeln zu unmerklicher Aktivität angeregt wer-den und damit der Einseitigkeit der Belastung etwas entgegengewirkt wird. Der Einsatz solcher Matten wird meist als angenehm empfunden, die persönliche empfundene Ermüdung der Beine wird als geringer beurteilt. Um Abwechslung aus o. g. Gründen zu schaffen, ist ein vollständiges Auslegen der Betriebsflächen mit Weichmatten nicht empfehlenswert. Besonders sinnvoll ist es, an Stellen mit Vibrationen Weichbodenmatten anzuwenden, da mit diesen auch die Vibrationsübertragung auf den Körper verringert wird. Zu bemerken ist allerdings, dass ein wissenschaftlicher Beweis einer positiven Wirkung solcher Matten bislang fehlt [16, 17, 18] Eine Minderung der Kälteübertragung vom Boden auf die Füße gilt dagegen als anerkannt.
Generell ist die Auswahl passender und nach Arbeitsschutzrichtlinien geeigneter Schuhe wichtig, insbesondere um Druckstellen an den Füßen und Fußdeformitäten vorzubeugen. Oft werden durch Arbeitgeber nur wenige Modelle zur Auswahl bereitgestellt, welche aber nicht für alle Personen gut passend sind. Bei Beschwerden an den Füßen lohnt sich das Testen von Arbeitssicherheitsschuhen verschiedener Hersteller, z. B. über einen Arbeitsschutzkleidungshändler. Informieren Sie sich bei Ihrer Sicherheitsfachkraft über die an Ihrem Arbeitsplatz notwendige Sicherheitsklasse. Möglicher-weise finanziert der Arbeitgeber auch Schuhe anderer Hersteller.
Sehr wichtig ist, dass die Arbeitssicherheitsschuhe eine zum Fuß passende Form haben. Grundlegend sind Breite und Länge des Fußes. Diese Maße sollten am Abend mit Socken bestimmt werden. Das jeweils größere Maß ist ausschlaggebend; bei der Länge sind 0,5 … 1,0 cm aufzuschlagen. Hinsichtlich der Form der Schuhe sollte eine Beratung in Anspruch genommen werden. Verschiedene Hersteller bieten Schuhe in verschiedenen Breiten an. Auch bei der Höhe kann es Unterschiede geben.
Generell sollten zwei Paar Arbeitssicherheitsschuhe verfügbar sein, um einen regelmäßigen Wechsel zu ermöglichen.
Einen Komfortgewinn bei Steharbeit können auch weiche Schuhsohlen oder Einlagen in den Schuhen liefern. Hierbei sind die individuellen Effekte jedoch am größten [5, 6]. Ein Komfortgewinn wurde im subjektiven Wohlbefinden in Studien nachgewiesen. Ein Beweis mittels „harter“ Messdaten ist jedoch schwierig, da in diesen Daten große individuelle Schwankungen auftreten und damit einheitliche Resultate von Probandengruppen „aufweichen“ [5, 6].
Technische Entlastungsmaßnahmen können ebenfalls den Komfort erhöhen und die Beschwerdesituation verbessern. Hierzu zählen Möglichkeiten wie Stehhilfen oder Fußstützen. Organisatorisch ist auch hier ein Haltungs- und/oder Bewegungswechsel ratsam, was zum Beispiel durch Maßnahmen wie Job-Rotation erreicht werden kann.
Rechtliches und Literaturnachweis
Bis auf bestimmte Personengruppen, auf die weiter unten eingegangen wird, finden sich zum Thema Steharbeit kaum rechtliche Regelungen.
Selbstverständlich finden die Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes Anwendung. Hier sind neben den in §4 geregelten Grundsätzen besonders die §§5 und von Interesse, in denen die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung bzw. die Pflicht zum Angebot einer arbeitsmedizinischen Vorsorge thematisiert werden. Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass auch für Beschäftigte eine Mitwirkungspflicht (§15) und eine Pflicht zur Meldung möglicher Gefährdungen (§16) besteht.
Genauere Vorschriften zur arbeitsmedizinischen Vorsorge ergeben sich aus der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge. Hier sind nach der Beschreibung der Pflichten des Arbeitgebers in §3 die §§4, 5 und 5a der Pflichtvorsorge, der Angebotsvorsorge und der Wunschvorsorge gewidmet. Auf spezielle Tätigkeiten wird in den Anhängen eingegangen. Dort findet man im Teil 3 „Tätigkeiten mit physikalischen Einwirkungen“ bei der Angebotsvorsorge „Arbeiten in erzwungenen Körperhaltungen im Knien, in langdauerndem Rumpfbeugen oder –drehen oder in vergleichbaren Zwangshaltungen“. Hierzu kann nach Maßgabe der eingangs erwähnten Arbeitsmedizinischen Regel AMR 13.2 auch die Arbeit im Stehen gehören, wenn sie über einen Zeitraum von mindestens 4 Stunden ohne wirksame Pause auszuführen ist.
Besondere Regelungen zur Steharbeit ergeben sich aus dem Mutterschutzgesetz. In den §§9 und 10 sind zunächst allgemeinere Vorschriften zur Gestaltung und Beurteilung der Tätigkeit zu finden. Im §11, Abs. (5), Nr. 3 MuSchG wird dann konkret festgelegt, dass ein Arbeitgeber eine Frau nach Ablauf des 5. Schwangerschaftsmonates nicht an Arbeitsplätzen einsetzen darf, an denen überwiegend bewegungsarmes Stehen über einen Zeitraum von mehr als 4 Stunden erforderlich ist. Abs. (6) Nr. 2 desselben Paragrafen schließt eine Beschäftigung mit Fließarbeit aus. Fließarbeit ist definiert als „Arbeitsmethode in der Industrie, bei der verschiedene zusammenhängende Arbeitsvorgänge lückenlos aneinandergereiht werden“ [DUDEN] bzw. „Arbeitsmethode, die durch eine lückenlose Folge von zusammenhängenden Arbeitsgängen gekennzeichnet ist, besonders Arbeit am Fließband“ [dwds.de]. Hier greift dann auch §12, Abs. (5), Nr. 2, in dem Fließarbeit auch für stillende Mütter ausgeschlossen wird.
Im Jugendarbeitsschutzgesetz regelt §22, Abs. (1), Nr. 1, dass Jugendliche nicht mit Arbeiten betraut werden dürfen, die ihre physischen und psychischen Fähigkeiten übersteigen. §23, Abs. (1), Nr. 3 schreibt vor, dass Jugendliche nicht an Arbeitsplätzen eingesetzt werden dürfen, an denen ihr Arbeitstempo „nicht nur gelegentlich vorgeschrieben, vorgegeben oder auf andere Weise erzwungen wird“.
[1] Ahmad, N., Thaha, Z., Eu, P. L.: Energetic requirement, muscle fatigue, and musculoskeletal risk of prolonged standing on female Malaysian operators in the electronic industries: influence of age; ejum.fsktm.um.edu.my, ½ (2006) 47-58
[2] Tomei, F., Baccolo, T. P., Tomao, E., Palmi, S., Rosati, M. V.: Chronic
[3] Balasubramanian, V., Adalarasu, K., Regulapati, R.: Comparing dynamic and stationary postures in an assembly task; International Journal of Industrial Ergonomics 39 (2009) 649-654
[4] Chester, M. R., Rys, M. J., Konz, S. A.: Leg swelling, comfort and fatigue when sitting, standing and sit/standing; International Journal of Industrial Ergonomics 29 (2002) 289-296
[5] King, P. M.: A comparison of the effects of floor mats and shoe in-soles on standing fatigue; Applied Ergonomics 33 (2002) 477-484
[6] Hansen, L., Winkel, J., Jorgensen, K.: Significance of mat and shoe softness during prolonged work in upright position: based on measurements of low back muscle EMG, foot volume changes, discomfort and ground force reactions; Applied Ergonomics 29/3 (1998) 217-224
[7] van Dieen, J. H., Vrielink, H. H. E. O.: Evaluation of work-rest schedules with respect to the effects of postural workload in standing work; Ergonomics 41/12 (1998) 1832-1844
[8] Rahman, I. A., Mohamad, N., Rohani, J. M., Zein, R. ;.: The impact of work rest scheduling for prolonged standing activity; Industrial Health 56 (2018) 492-499
[9] Kraemer, W. J., Volek, J. S., Bush, J. A., Gotshalk, L. A., Wagner, P. R., Gomez, A. L., Zatsorsky, V. M., Duzrte, M., Ratamess, N. A., Mazzetti, S. A., Selle, B. J.: Influence of compression hosiery on physiological responses to standing fatigue in women; Medicine & Science in sports & exercise (2000) 1849-1858
[10] Flore, R., Gerardino, L. Santoliquido, A., Pola, R., Flex, A., di Campli, C., Pola, P., Tondi, P.: Enhanced oxidative stress in workers with a standing occupation
[11] Lin, Y.-H., Chen, C.-Y., Cho, M.-H.: Influence of shoe/floor conditions on lower leg circumference and subjective discomfort during prolonged standing; Applied Ergonomics 43 (2012) 965-970
[12] Krause, N., Lynch, J. W., Kaplan, G. A., Cohen, R. D., Salonen, R., Salonen, J. T: Standing at work and progression of carotid atherosclerosis; Scand J Work Environ Health 26/3 (2000) 227-236
[13] Kim, E.-K., Kim, J. S.: The effects of short foot exercises and arch support insoles on improvement in the medial longitudinal arch an dynamic balance of flexible flatfoot patients; The Journal of Physical Therapy Science 28 (2016) 3136-3139 [Anderes Ziel, aber Ergebnisse übertragbar. Empfehlung: Übung "kurzer Fuß”]
[14] Hughes, N. L., Nelson, A., Matz, M. W., Lloyd, J.: Solutions for Prolonged Standing in Perioperative Settings; AORN Journal 93 (2011) 767-774
[15] Nicoletti, C., Läubli, T.: Muskelaktivität, Herzfrequenz, Produktivität und Komfort bei Tätigkeiten im Sitzen, im Stehen oder mit einer Stehhilfe mit vier unterschiedlichen Sitzwinkeln; Gesellschaft für Arbeitswissenschaft e.V., Dortmund (Hrsg.), Frühjahrskongress 2017 in Brugg: Soziotechnische Gestaltung des digitalen Wandels – kreativ, innovativ, sinnhaft – Beitrag A.7.4
[16] Zander, JA. E., King, P. M., Ezenwa, B. N.:Influence of flooring conditions on lower leg volume following prolonged standing; International Journal of Industrial Ergonomics 34 (2004) 279-288
[17] Zhang, L., Drury, C. G., Woolley, S. M.: Constrained standing: Evaluating the foot/floor interface; Ergonomics 34/2 (1991) 175-192
[18] Rys, M., Konz, S.: Standing; Ergonomics 37/4 (1994) 677-687
LV50 (Die Veröffentlichung wurde zwischenzeitlich zurückgezogen. Eine Aktualisierung liegt nicht vor.)
AMR 13.2 „Tätigkeiten mit wesentlich erhöhten körperlichen Belastungen mit Gesundheitsgefährdungen für das Muskel-Skelett-System“; Bek. d. BMAS v. 3.11.2021 – IIIb1-36628-15/9 (weiterführender Link)
LMM-Körperzwangshaltungen (externer Link)
Prävention physischer Belastungenhttps://www.baua.de/DE/Themen/Arbeit-und-Gesundheit/Muskel-Skelett-Erkrankungen/Praevention-physische-Belastungen.html (externer Link)
Arbeitsschutzgesetz vom 7. August 1996 (BGBl. I S. 1246), das zuletzt durch Artikel 6k des Gesetzes vom 16. September 2022 (BGBl. I S. 1454) geändert worden ist
Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge vom 18. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2768), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 12. Juli 2019 (BGBl. I S. 1082) geändert worden ist
Mutterschutzgesetz vom 23. Mai 2017 (BGBl. I S. 1228), das durch Artikel 57 Absatz 8 des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2652) geändert worden ist
Jugendarbeitsschutzgesetz vom 12. April 1976 (BGBl. I S. 965), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 16. Juli 2021 (BGBl. I S. 2970) geändert worden ist